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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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herauszufinden, bislang ohne Erfolg.
    Widerwillig wandte Ritchie sich wieder seiner Arbeit zu. Gott sei Dank gibt es die Nachrichten im Kabelfernsehen, dachte er. Er hatte sich schon gefragt, ob er den Gouverneur nicht zur Ausrufung des Kriegsrechts hätte zwingen
sollen. Er fürchtete, dass Panik und Gewaltausbrüche unausweichlich sein würden, wenn die Bevölkerung der wenigen übrig gebliebenen amerikanischen Inseln erst mal verstanden hatte, was passiert war. Im Augenblick schienen die Katastrophenberichte der großen Nachrichtensender aus Asien und Europa die Bevölkerung von Hawaii so sehr in ihren Bann zu ziehen, dass die Menschen zu Hause vor dem Fernseher oder dem Computer sitzen blieben. Alle erreichbaren Polizisten waren zum Dienst gerufen worden, und ein Bataillon bestehend aus Soldaten und Marineinfanteristen war eilig mit allem ausgerüstet worden, was für die Bekämpfung von Aufständen nötig war. Nur für den Fall, dass etwas passieren sollte. Zurzeit waren die Straßen wie leergefegt, möglicherweise würden sie nicht zum Einsatz kommen. Die Surferstrände im Norden waren weniger bevölkert als sonst, aber das machte sich kaum bemerkbar. Selbst das Ende der Welt konnte manche Leute nicht davon abbringen, nach der perfekten Welle zu suchen.
    »Anruf vom Büro des Gouverneurs, Sir.«
    Ritchie schaute auf. Sein Schreibtisch war übersät mit Papierkram, kein Zentimeter war mehr frei davon. Einige Seiten waren sogar schon auf den Boden gefallen. Sein Assistent, Captain McKinney, bückte sich, um sie aufzuheben.
    »Und? Gibt’s was Neues? Gute Nachrichten zur Abwechslung?«
    »Gemischt, General. Die Ausgangssperre beginnt heute Abend um 18 Uhr. Bezüglich der Rationierungen konnte keine Einigung erzielt werden. Aber es wurden Flüge nach Tokio und Sydney organisiert, die leicht verderbliche Güter, knappe Medikamente und fehlende medizinische Ausrüstung transportieren. Die nationalen Sicherheitskabinette der Australier und der Japaner tagen noch, aber auf oberster Beamtenebene wurde uns signalisiert, dass wir jede Hilfe bekommen, die wir benötigen.«

    Auch sie werden sehr bald Hilfe brauchen, dachte Ritchie. Laut sagte er nur: »Gut, das ist doch immerhin schon etwas.«
    Die Streitkräfte verfügten über Vorräte und medizinische Notfallausrüstungen für die Inseln, aber sie waren nicht mit Medikamenten wie Insulin für Diabetiker oder Mitteln zur Krebsbehandlung oder Dutzende anderer Krankheiten ausgestattet. Ritchie hatte sich sogar schon gefragt, wie groß der Vorrat an Antidepressiva auf Hawaii wohl sein mochte und wie viele Menschen sich demnächst umbringen würden oder Herzanfälle und Hirnschläge erlitten, weil sie den psychischen Stress nicht ertrugen. Wenn man bedachte, wie viele Touristen aus den Staaten hier waren, konnten sie sich in dieser Hinsicht auf einiges gefasst machen.
    Vor fast fünfundzwanzig Jahren hatte er seine Dissertation über das Krisenmanagement der Marine in Pearl Harbor geschrieben. Seine Kritik über die Maßnahmen am 7. Dezember 1941 war vernichtend gewesen. Aber jetzt, wo er seiner eigenen Katastrophe gegenüberstand, musste er sich fragen, ob er in der damaligen Situation besser gehandelt hätte. Furchtbar viel musste erledigt werden, und es gab entsetzlich wenige Hilfsmittel. Die Ereignisse hatten eine derartige Dynamik entwickelt, dass er überhaupt nicht mehr hinterherkam.
    »Danke, Captain«, brummte er und entließ McKinney. Im gleichen Moment tauchte ein Offizier in der grünen Uniform der Army auf.
    »Colonel Maccomb, Admiral. Ich habe einige Aktualisierungen für Sie, falls Sie einen Augenblick Zeit haben.«
    Tatsächlich hatte Ritchie überhaupt keine Zeit, aber er winkte den Mann trotzdem herein. Maccomb sah aus, als hätte er den ganzen Weg vom Stützpunkt des militärischen Geheimdienstes, der ein ganzes Stück weit entfernt mitten in der tropischen Sonne lag, im Laufschritt zurückgelegt.
Die pazifischen Streitkräfte hätten in wenigen Monaten ein neues Hauptquartier bekommen, wo alle Bereiche in einer Zentrale zusammengezogen worden wären. Jetzt sah es so aus, als müssten sie sich weiterhin mit den alten Verhältnissen herumschlagen, und das bedeutete, dass die etwas niedrigeren Ränge weiterhin weite Wege quer über die Insel zurücklegen mussten.
    »Nehmen Sie Platz, Colonel. Setzen Sie mich so knapp wie möglich ins Bild, aber vergessen Sie die Zusammenhänge nicht.«
    Der Offizier nickte knapp, holte einen Stapel Papiere hervor und ging

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