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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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dem Vorhang zu Leibe rückte, das Ding blieb einfach unbeeindruckt.
    »So wie sich mir das darstellt«, sagte sie, »ist dieses Ding hier nicht einmal wirklich vorhanden.«
    »Hmhm«, murmelte er. Zu den gleichen Ergebnissen waren sie gekommen, als sie sich bei der Flugraumüberwachung oder bei den Wettersatelliten Daten holen wollten. Für die verfügbaren technischen Messgeräte existierte der Effekt überhaupt nicht.
    Er spürte, wie die Hitze des Tages sich abschwächte, als die Sonne hinter den karg bewachsenen Hügeln im Westen versank. Von der Energiewelle ging eine leichte Wärmestrahlung aus, aber das war auch schon alles.
    »Wollen Sie noch näher drangehen, Major?«, fragte er.
    Nuñez schüttelte den Kopf. »Nein. Aber was könnten wir sonst noch tun?«
    Der Kubaner trat einige Schritte zur Seite und entfernte sich vom Konvoi. Er ging auf die neue Grenze der bekannten Welt zu. Musso folgte ihm. Vorsichtig näherten sie sich der Barriere. Die Umgebung unterschied sich kaum von der um Guantánamo. Beide Orte lagen am Fuß der Sierra Maestra, dem Überbleibsel zerklüfteter, von tektonischen Verschiebungen unter dem Ozean im Laufe von Millionen Jahren in die Höhe getriebenen Erdschollen.
Vulkanausbrüche und der Aufprall des Chicxulub-Kometen vor ungefähr fünfundsechzig Millionen Jahren waren ebenfalls bei der Entstehung dieser Landschaft beteiligt gewesen. Die Sierra Maestra war ein perfektes Operationsgebiet für eine Guerillatruppe, eine zerklüftete Gegend, in der sich tiefe Täler, steile Felswände, Vulkankegel, Felsspalten und nahezu undurchdringliches Karstgelände abwechselten, bedeckt von dichten Wäldern und durchzogen von Kalksteinhöhlen. Die Berge fielen auf der anderen Seite des Schleiers ab und liefen in geschwungenen Ebenen aus, die zwei Drittel der kubanischen Landschaft ausmachten. Aber all die Naturkräfte, die am Werk gewesen waren, um diese Gegend mit roher zerstörerischer Energie zu gestalten, waren nichts im Vergleich zu dem unglaublichen Schauspiel dieser statischen Energiewelle.
    Musso konnte die Steppe im tiefer liegenden Gebiet auf der anderen Seite ohne Schwierigkeiten erkennen. Nichts bewegte sich dort. Nuñez hatte den Blick durch den Vorhang mit dem durch einen Wasserfall verglichen, aber ihm kam es eher vor, als würde er durch einige Schichten Plastikfolie sehen. Er bückte sich, hob im Gehen einen Stein auf und fragte sich, was wohl passieren würde, wenn er ihn hineinwarf. Nuñez wurde langsamer, als sie sich dem Vorhang näherten. Er schien sich zu blähen wie ein Segel. Etwa fünfzehn Meter davor blieben sie stehen.
    »Ich glaube, es ist nicht gut, wenn wir noch näher rangehen«, sagte Nuñez.
    »Da haben Sie wahrscheinlich Recht, Major«, stimmte Musso zu. »Gehen wir einfach mal davon aus, dass wir zwei harte Burschen sind, die die Angelegenheit genauso gut von hier aus betrachten können.«
    Auf der anderen Seite war das ausgebrannte Wrack eines Autos zu sehen, nahe einer Biegung. Vielleicht war es der Wagen, mit dem sein Offizier verschwunden war.

    Sie standen jetzt so dicht vor dem Effekt, dass Musso sich scheute, nach oben zu blicken. Die Ausmaße dieses Dings waren so gigantisch, dass ihm schon schwindelig wurde, wenn er nur daran dachte, er musste es gar nicht noch genauer in Augenschein nehmen. Er drehte sich, um nachzusehen, was seine Leute machten. Alle standen steif da und schauten ihnen angespannt zu. Plötzlich hörte er ein zischendes Geräusch und sah alle zusammenzucken, wie das Publikum in einem Horrorfilm, das unerwartet geschockt wird.
    »Was, zum Teufel, war das?«, fragte Musso und wandte sich an Nuñez.
    Aber der Kubaner war verschwunden.
    Erst da hörte er die Schreie seiner Kameraden und der Kubaner.
    »Weg da, General! Laufen Sie weg! Schnell!«
     
    Admiral Ritchie ertappte sich dabei, wie er seinen Blick von den Nachrichten im Fernsehen abwandte und das Bild seiner Tochter auf dem Schreibtisch direkt vor ihm anschaute. Es war ein altes Foto. Nancy war jetzt neunzehn Jahre alt, aber auf diesem Bild war sie noch immer die Dreijährige, die einen Teddybär hielt und am Daumen lutschend irgendwo in die Ferne blickte.
    Er riss sich davon los. Der Anblick des Fotos war kaum zu ertragen. Aber bestimmt ging es ihr gut. Sie sollte heute Morgen von Europa aus losfliegen. Seitdem hatten sie nichts mehr von ihr gehört.
    Hatte sie das Flugzeug genommen? War sie dem Effekt entkommen? Er wusste es nicht. Seine Frau versuchte verzweifelt, etwas

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