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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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mit einer bestimmten Einstellung zusammenfinden. So ist nun mal die menschliche Natur. Wenn ein Verrückter aus Algerien eine Atombombe in Paris zünden würde, könnte ich dich genauso in irgendwelche Gegenden in Amerika führen, wo eine Menge fetter, dumpfgesichtiger Drecksäcke lautstark behaupten würden, die Franzosen hätten nichts anderes verdient. Die Leute gehen überall den gleichen dummen Vorurteilen auf den Leim.«
    »Nein. Nicht alle sind so … Caitlin. Es gibt auch Menschen, die vernünftiger sind.«
    In diesem Augenblick kamen sie an einem Café vorbei, vor dem ein älterer Mann mit schwarzem Jackett und roter Baskenmütze stand. In der Hand hielt er einen Spazierstock, den er immer wieder energisch auf den Boden stieß, während er mit einigen Männern diskutierte, die wesentlich jünger waren.
    »Ich war mit den Amerikanern in Carentan. Ich habe gesehen, wie sie ihr Blut für Frankreich geopfert haben. Ihr entehrt sie und ihr entehrt Frankreich, wenn ihr so einen Unsinn redet …«
    Caitlin warf dem alten Mann ein trauriges Lächeln zu und zwinkerte, als sie vorbeigingen. Als eine Sirene sich näherte, hob sie den Kopf, aber es war nur ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr, das einen Straßenzug weiter entfernt vorbeiraste. Sie konnte es ganz kurz sehen, als es sich an der Kreuzung seinen Weg durch den Verkehr bahnte.
    »Hier entlang«, sagte sie und bog in eine Seitenstraße, in der zahlreiche Autos vor großen Wohnhäusern parkten.
Es gab keine Geschäfte außer einem Wein- und Spirituosenladen.
    »Willst du wieder ein Auto stehlen?«, fragte Monique.
    Nein, dachte Caitlin sarkastisch, ich will mir ein paar Champagner-Magnums besorgen, um mit diesen Feiglingen darauf zu trinken, dass irgendjemand den Großen Satan am Arsch gekriegt hatte.
    Aber stattdessen sagte sie nur: »Du hast es erfasst.«
    Drei Minuten später fuhren sie in einem grauen Volvo V40 durch Paris. An einem Saugknopf hing eine schwarze Plastikhalterung an der Windschutzscheibe, direkt unterhalb des Rückspiegels. Caitlin lehnte sich seitlich über Monique, als sie vor einer roten Ampel anhielten, und öffnete das Handschuhfach.
    »Herzchen«, sagte sie, als sie ein kleines GPS-Gerät herausfischte. »Gibt es hier irgendwo ein Stromkabel? Sieh mal nach, ob da ein Kabel mit einem Adapter für den Zigarettenanzünder herumliegt.«
    Monique konnte keins finden, aber das gelb-schwarze Gerät hatte noch drei Viertel seiner Batterieladung. Caitlin schaltete es ein und wartete auf die Verbindung mit dem Satelliten, um ihre Position zu bestimmen. Es dauerte einige sehr lange Minuten, in denen sie sich auf den Verkehr konzentrieren musste. Es war sehr dunkel in der Stadt, und hier und da konnte man in den Vorstädten Brände sehen, was erklärte, warum so viel Feuerwehr unterwegs war. Anscheinend begnügten sich nicht alle, die in Feierlaune waren, damit, Champagnerflaschen zu öffnen.
    Das GPS gab einen Signalton von sich und entlockte Monique ein erleichtertes: »Oh!«
    »Sind wir das hier? In der Nähe der Rue Ricaut?«
    »Ja. Das sind wir. Gibt es da auch eine Suchfunktion? Kannst du herausfinden, wie wir nach …«
    In diesem Moment zerbarst die Windschutzscheibe mit einem ohrenbetäubenden Knall.

11

Kuba, am Rand des Effekts
    Als Junge war Tusk Musso immer gern mit seinem Opa in die Stadt gefahren. Für die Familie Musso war New York die großartigste Stadt der Welt gewesen. Sogar der ganzen Menschheitsgeschichte, mit Ausnahme von Rom vielleicht, jedenfalls war das die Ansicht seines Großvaters Vinnie Musso. Wenn sie dort ankamen, spielten sie ein Spiel, von dem Tusk seiner Mutter niemals etwas erzählen durfte. Sie legten sich auf den Gehsteig direkt vor dem höchsten Gebäude, das sie finden konnten, und starrten nach oben. Es sah so aus, als würde der Wolkenkratzer bis in den Himmel reichen. Sie mussten sich dabei immer beeilen, denn sicher wären früher oder später Polizisten oder Sicherheitsleute gekommen, um sie fortzujagen. Zum ersten Mal taten sie es, als Tusk sechs Jahre alt war, an einem kühlen bedeckten Tag, an dem ein leichter Wind die Wolken über den niedrig wirkenden Himmel wehte und es aussah, als würde die ganze Welt inklusive dem Chrysler Building direkt auf sie fallen. Tusk hatte gelacht und vor Freude laut aufgeschrien, aber eine gehörige Portion Angst war auch dabei gewesen. Zu Hause durfte er seiner Mutter dann nichts davon erzählen, natürlich nicht, denn sie wäre durchgedreht, wenn sie erfahren hätte,

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