Der Ego-Tunnel
Säugetieren implementiert. Es ist das gelebte Jetzt. Die physikalische Zeit existierte, lange bevor diese Eigenschaft entstand, aber mit ihr wurde dem physikalischen Universum etwas Neues hinzugefügt – eine Repräsentation der Zeit, einschließlich einer illusorischen, verschmierten Gegenwart plus der Tatsache, dass die Wesen, in deren Gehirnen diese neue Eigenschaft auftrat, sie nicht als eine Repräsentation erkennen konnten. Milliarden von bewussten, die Zeit darstellenden Nervensystemen erschufen Milliarden von individuellen Perspektiven.
An diesem Punkt berühren wir auch erstmals ein tieferes und allgemeineres Prinzip, das sich an vielen Stellen in der modernen Bewusstseinsforschung immer wieder zeigt. Je mehr Aspekte des subjektiven Erlebens wir auf nüchterne, strenge und materialistische Weise erklären können, desto mehr wird sich auch unsere Sicht auf das selbstorganisierende physikalische Universum verändern. Ganz offensichtlich – und in einem absolut klaren, nichtmetaphorischen und nichtmysteriösen Sinne – scheint das physikalische Universum selbst ein intrinsisches Potenzial für das Auftreten von Subjektivität zu besitzen. Grobe Versionen des Objektivismus sind daher fehl am Platz, und die Wirklichkeit ist viel reicher, als wir in der Vergangenheit gedacht haben.
Das Wirklichkeits-Problem:
Wie wir als naive Realisten geboren wurden
Minimales Bewusstsein ist das Erscheinen einer Welt. Aber selbst dann, wenn wir das Eine-Welt-Problem und das Jetzt-Problem gelöst haben, verfügen wir lediglich über ein Modell einer einheitlichen Welt und ein Modell des gegenwärtigen Moments im Gehirn. Wir haben die Darstellung einer einzelnen Welt und die Darstellung eines einzelnen Moments. Eines scheint klar: Das echte Erscheinen einer Welt ist etwas anderes. Stellen Sie sich vor, Sie könnten plötzlich die gesamte Welt, Ihren eigenen Körper, das Buch in Ihrer Hand und Ihre gesamte Umgebung als ein »mentales Modell« wahrnehmen. Wenn alles ein einziger großer Gedanke ist – wäre das noch bewusstes Erleben?
Bitte versuchen Sie jetzt, sich etwas sogar noch Schwierigeres vorzustellen: Das robuste Gefühl der Gegenwart, das Sie gerade jetzt empfinden, ist seinerseits nur eine besondere Art von Bild. Es ist eine Zeitrepräsentation in Ihrem Gehirn – eine Fiktion, nicht die Wirklichkeit selbst. Was würde geschehen, wenn Sie sich vom gegenwärtigen Moment distanzieren könnten – wenn die Jetzt-heit dieses gegenwärtigen Moments sich nicht mehr als das reale Jetzt erweisen würde, sondern nur als ein elegantes Porträt von Gegenwärtigkeit in Ihrem eigenen Geist? Wären Sie noch bewusst? Das ist nicht einfach nur eine empirische Frage, es besitzt auch eine ganz eigene philosophisch-begriffliche Färbung. Das Kernproblem besteht nämlich darin, wie man von einem Weltmodell und einem Jetztmodell zu genau dem kommt, was Sie haben, während Sie diesen Satz lesen: die Gegenwart einer Welt.
Die Antwort liegt in der Transparenz phänomenaler Repräsentationen. Erinnern wir uns: Eine Repräsentation ist transparent, wenn das System, das sie benutzt, sie selbst nicht als eine Repräsentation erkennen kann. Ein Weltmodell, das gerade im Gehirn aktiv ist, ist transparent, solange das Gehirn keine Möglichkeit hat, die Tatsache zu entdecken, dass es ein Modell ist. Ein Modell des gegenwärtigen Moments ist transparent, wenn das Gehirn keine Chance hat, zu entdecken,dass es einfach das Ergebnis von Informationsverarbeitungsvorgängen ist, die gegenwärtig in ihm selbst stattfinden. Stellen wir uns vor, wir würden einen Spielfilm im Fernsehen betrachten, zum Beispiel 2001: Odyssee im Weltraum , und wir hätten gerade die Szene gesehen, in der der siegreiche Affenmensch seine Knochenkeule hoch in die Luft schleudert. Genau in diesem Moment springt der Film in die Zukunft, indem sich das Bild des durch die Luft taumelnden Knochens in das eines Raumschiffs verwandelt. Gerade hat Dr. Heywood R. Floyd die Mondbasis Clavius in seiner Landefähre erreicht und diskutiert mit den schon vor Ort tätigen sowjetischen Wissenschaftlern über die Frage, ob die Entdeckung eines Monolithen auf dem Mond zu einem »Kulturschock und zu gesellschaftlicher Desorientierung« führen könnte. Als sie den gigantischen schwarzen Monolithen erreichen, streckt ein Mitglied des Forschungsteams die Hand aus und streicht über seine glatte Oberfläche, während sich in seinem Gesicht dieselbe Ehrfurcht und Neugier widerspiegeln, die sich
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