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Der Ego-Tunnel

Der Ego-Tunnel

Titel: Der Ego-Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Metzinger
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Wahrnehmung) im Verhältnis zueinander.
    Auf ebenso flinke, elegante und anstrengungslose Weise wird das Buchmodell mit anderen Modellen verbunden oder in sie eingebettet, wie etwa den Modellen Ihrer Hand oder des Tischs, und dadurch nahtlos in den Gesamtraum unseres bewussten Erlebens integriert. Weil dieser Mechanismus über Millionen von Jahre optimiert worden ist, ist er so schnell und so zuverlässig, dass wir von seiner Existenz niemals Notiz nehmen. Er macht unser Gehirn unsichtbar für sich selbst. Wir kommen nur mit seinem Inhalt in Berührung und sehen niemals die Repräsentation als solche – und genau darum haben wir die Illusion, in unmittelbarem Kontakt zur Welt zu stehen. Auf ebendiese Weise werden Sie zu einem naiven Realisten , einer Person, die der Überzeugung ist, dass sie direkten Zugang zu einer vom Beobachter unabhängigen Wirklichkeit hat.
    Wenn man als Philosoph etwas ernsthafter mit Neurowissenschaftlern redet, dann wird man neue Begriffe kennenlernen, von denen manche äußerst nützlich sind. Eine Idee, die ich selbst besonders hilfreich fand, war die des »metabolischen Preises«. Wenn ein biologisches Gehirn eine neue kognitive Fähigkeit entwickeln will,muss es dafür einen Preis zahlen. Die Währung, in der dieser Preis bezahlt wird, ist Zucker. Zusätzliche Energie muss verfügbar gemacht und im Gehirn muss mehr Glukose verbrannt werden, um diese neue Fähigkeit zu entwickeln und zu stabilisieren. Wie in der Natur im Allgemeinen so gibt es auch hier nichts umsonst. Wenn eine Tierart beispielsweise das Farbensehen evolvieren soll, muss sich dieses neue Merkmal auch bezahlt machen, indem es dem einzelnen Tier neue Quellen von Nahrung und Zucker erschließt. Wenn ein biologischer Organismus ein bewusstes Selbst entwickeln will oder wenn er lernen will, mit Hilfe von Begriffen zu denken und eine Sprache zu beherrschen, dann muss dieser Schritt auf eine neue Ebene geistiger Komplexität nachhaltig sein. Er erfordert nämlich zusätzliche neuronale Hardware, und diese Hardware wiederum erfordert Brennstoff. Dieser Brennstoff ist Zucker, und deshalb muss das neue Merkmal unser Tier in die Lage versetzen, die zusätzlich benötigte Energie auch tatsächlich in seiner Umwelt zu finden.
    In ähnlicher Weise müsste jede gute Theorie des Bewusstseins uns verständlich machen, wodurch genau das subjektive Erleben sich bezahlt gemacht hat. (Im Prinzip könnte Bewusstsein ein Nebenprodukt anderer Merkmale sein, die sich bereits bezahlt gemacht haben, aber die Tatsache, dass es anscheinend über die Zeit hinweg stabil geblieben ist, legt den Schluss nahe, dass es adaptiv war.) Eine überzeugende Theorie muss uns erklären, wie das Erscheinen einer Welt es uns ermöglicht hat, mehr Energie aus unserer Umwelt herauszuziehen, als ein Zombie es könnte. Diese evolutionäre Sichtweise hilft uns vielleicht auch dabei, das Rätsel des naiven Realismus zu lösen.
    Unsere Vorfahren mussten nicht wissen, dass gerade eine Bär-Repräsentation in ihrem Gehirn aktiv war oder dass sie gerade ihre Aufmerksamkeit auf einen inneren Zustand lenkten, der einen langsam heranschleichenden Wolf darstellt. Darum war es auch nicht nötig, für geistige Bilder dieser Art wertvollen Zucker zu verbrennen. Alles, was sie wissen mussten, war: »Da drüben ist ein Bär!« oder »Ein Wolf nähert sich von links!«. Für das Überleben war es nicht notwendig zu wissen, dass all das nur ein Modell der Welt und des Jetzt ist.Dieses zusätzliche Wissen hätte nämlich zwingend erfordert, dass das gebildet wird, was Philosophen Meta-Repräsentationen nennen, also Bilder über andere Bilder, Gedanken über Gedanken. Es hätte zusätzliche Hardware im Gehirn und mehr Brennstoff erfordert. Manchmal erzeugt die Evolution tatsächlich zufällig überflüssige neue Eigenschaften, aber ein solcher Luxus kann sich nur selten über längere Zeiträume hinweg halten. Deshalb lautet die Antwort auf die Frage, warum unsere bewussten Repräsentationen der Welt transparent sind – warum wir konstitutionell unfähig sind, sie als Repräsentation zu erleben – und warum sich dies als eine gangbare, stabile Überlebens- und Fortpflanzungsstrategie erwies: Wahrscheinlich hätte die Bildung von Meta-Repräsentationen kein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gehabt. Mit Blick auf den zusätzlichen Zucker, den wir in unserer Umwelt hätten finden müssen, wäre es einfach zu teuer gewesen.
    Ein viel kleinerer Zeitrahmen bietet uns eine weitere

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