Der Ego-Tunnel
des Sehens und Tastens, des Riechens und Schmeckens, und für all jene Aspekte des bewussten Hörens, die dem Zauber und der Schönheit eines intensiven Musikerlebens zugrunde liegen. 17 Es könnte sich aber auch für das Einfühlungsvermögen stellen, für alle emotionalen und ihrem Wesen nach körpergebundenen Kommunikationsformen (mehr darüber findet sich im Kapitel 6 und in meinem Gespräch mit Vittorio Gallese auf Seite 248). Noch einmal: Diese empirischen Ergebnisse sind philosophisch bedeutsam, weil sie unsere Aufmerksamkeit wieder auf etwas lenken, das wir eigentlich schon immer wussten. Viele der Dinge, die man durch Musik (oder andere Kunstformen, wie zum Beispiel den Tanz) ausdrücken kann, sind unaussprechlich, weil sie niemals zum Inhalt eines geistigen Begriffs werden können oder sich in Worte fassen lassen. Wenn dem aber so ist, dann wird andererseits auch das Mitteilen der unaussprechlichen Aspekte unseres bewussten Lebens zu einer recht zweifelhaften Angelegenheit: Wir können uns nie wirklich sicher sein, ob unsere wortlose Kommunikation erfolgreich war, und es gibt keine Gewissheit darüber, was es eigentlich war, das wir miteinander geteilt haben.Außerdem bedroht das Problem der Unaussprechlichkeit auch die Vollständigkeit jeder neurowissenschaftlichen Theorie des Bewusstseins. Wenn sich bereits die einfachsten Bestandteile des sinnlichen Bewusstseins dem Zugriff entziehen – und zwar in dem Sinne, dass nicht einmal das erlebende Subjekt selbst innere Kriterien besitzt, um sie beim Blick ins eigene Bewusstsein zuverlässig erneut zu identifizieren –, dann können wir sie auch nicht mit dem repräsentationalen Inhalt von Hirnzuständen in Beziehung setzen – dies scheint dann prinzipiell unmöglich. Natürlich gibt es einige innere Kriterien, aber sie sind recht grob: absolute Werte wie etwa »reine Süße«, »reines Blau«, »reines Rot« und so weiter. Aber es scheint unmöglich zu sein, Grün Nr. 24 oder Grün Nr. 25 auf systematische Weise zu dem ihnen zugrunde liegenden physikalischen Substrat in Beziehung zu setzen, denn dafür sind die Unterschiede zwischen einzelnen Tönen oder Schattierungen einfach zu subtil. Wenn wir die Abbildung auf Hirnzustände nicht durchführen können, dann können wir auch die Reduktion nicht durchführen – und das bedeutet, dass wir auch nicht zu der Schlussfolgerung gelangen werden, dass Ihr bewusstes Erleben von Grün Nr. 24 mit einem bestimmten Hirnzustand in Ihrem Kopf identisch ist.
Wir hatten bereits gesehen, dass Reduktion keine Beziehung zwischen den Phänomenen selbst ist, sondern nur eine zwischen Theorien. T 1 wird auf T 2 zurückgeführt. Eine Theorie – beispielsweise über unser subjektives, bewusstes Erleben – wird auf eine andere zurückgeführt – etwa über die neuronale Dynamik im Gehirn. Theorien bauen sich aus Sätzen und Begriffen auf. Wenn es aber keine Begriffe für bestimmte Dinge im Gegenstandsbereich der einen Theorie gibt , dann können sie auch nicht auf Begriffe in der anderen Theorie abgebildet oder zurückgeführt werden. Deshalb könnte es unmöglich sein, das zu tun, was die meisten Naturwissenschaftler auf dem Feld der Bewusstseinsforschung am liebsten tun würden, nämlich zu demonstrieren, das Grün Nr. 24 in einem strengen Sinn mit einem Zustand in unserem Kopf identisch ist.
Was nun? Wenn Identifikation unmöglich ist, scheint Elimination die einzige Alternative zu sein. Wenn sich die subtilen Qualitätendes sensorischen Bewusstseins nicht in das verwandeln lassen, was Philosophen echte »theoretische Entitäten« nennen, und zwar deshalb, weil wir einfach keine Identitätskriterien für sie besitzen, dann könnte der sauberste Weg zur Lösung des Unaussprechlichkeitsproblems der sein, den der Neurophilosoph Paul Churchland und andere schon vor langer Zeit vorgeschlagen haben. Er besteht darin, die Existenz von Qualia von vornherein zu bestreiten. Wäre es nicht die beste Lösung, einfach zu sagen, dass wir dadurch, dass wir unsere visuelle Aufmerksamkeit auf den unaussprechlichen Farbton von Grün Nr. 24 vor uns richten, bereits direkt mit einer Hardware-Eigenschaft in Berührung sind? Dass also das, was wir erleben, nicht einfach irgendeine Form von Inhalt einer bewussten Repräsentation ist, sondern schlicht und einfach die neuronale Dynamik selbst ? Nach dieser Sichtweise wäre unsere innere Erfahrung von Grün Nr. 24 überhaupt kein bewusstes Erlebnis, sondern stattdessen etwas Physikalisches, nämlich
Weitere Kostenlose Bücher