Der Ehrengast
Fahrt, um zu überlegen. Sie schauderte ein wenig zusammen: »Irgendwo, wo’s schön ist.«
»Wo wir neulich waren.«
»Ja, wunderbar.« Als er aber am Uferweg anhielt und Anstalten machte, sich da niederzulassen, wurde ihr Gesichtsausdruck unsicher.
»Haben Sie nicht hier gemeint?«
Sie sagte: »Ich dachte, Sie wollten zur Insel …«
»Den ganzen Weg zur Insel hinüber?«
»Nein, lassen Sie’s, es ist schon gut.«
»Naja, wenn Sie keine Eile haben, wieder nach Hause zu kommen – ich hab’s ganz bestimmt nicht eilig. Warten Sie – ich seh zu, daß ich ein Boot auftreiben kann.«
Sie protestierte abermals, verbarg aber ihre Hoffnung nur schlecht. Zwei Einbäume mit vielen Blechflicken waren durch das Schilf heraufgezogen worden und lagen an Land. Ein Fischer machte sich an einem Netz zu schaffen. Es wurden kurz ein paar freundliche Begrüßungsworte in Gala getauscht, dann durften sie zwischen den Fahrzeugen wählen. Sie nahmen das, welches weniger Wasser zu führen schien, und diesmal bekamen sie zwei Paddel. Sie paddelten nicht im gleichen Rhythmus, aber sie bestand darauf, ihr Teil beizutragen, war rot angelaufen und auf eine Art selbstvergessen, wie sie für eine attraktive Frau unüblich ist. Waren sie einmal älter als vierzehn, dann überlegten sie immer nervös, wie sie sich gebärden sollten; er hatte das an seinen Töchtern beobachtet.
Sie hatte recht. Insel und Strand waren die Mühe wert. Sie schwelgte im Besitzerstolz. »Haben Sie jemals einen derart traumhaften Sand gesehen? Und, sehen Sie doch – eine Rückenstütze, und direkt mit Blick aufs Wasser …« Als erstes gingen sie schwimmen, zogen sich ohne falsche Scham aus und wieder an, wobei keiner der beiden in Richtung des anderen blickte. Dann packten sie Kalimos Lunch aus. »Nehmen Sie eins von den Eiern mit den kleinen Fischen drin, na, probieren Sie’s schon.« Sie aßen voll Gier und tranken den warmen Rotwein. Sie hatte wirklich zu dicke Oberschenkel für diese alten Hosen, und nun, da sie gegessen hatte, spannten sie auch über dem Bauch, stramm wie ein Trommelfell. Was verstand man denn unter einem »attraktiven« Mädchen? War ihr Gesicht hübsch? Es war ein quadratisches, sonnengebräuntes, gerötetes Gesicht, so breite Kiefer waren nicht sein Fall – wenn sie einmal in die Jahre kam, würde sie stattlich und rundbackig sein. Ihr Profil zeigte eine wohlgeformte Stirn unter glattem schwarzem Haar – tiefschwarzes Haar. Und, natürlich, wunderbare Augen, diese gelblichenLöwinnenaugen. Nein, »attraktiv«, das bedeutete nur soviel – eine Anziehungskraft, die nichts mit den Schönheiten und Makeln, den Proportionen und Symmetrien zu tun hatte, die in ein und derselben Frau nebeneinanderlagen. Sie verwendete kein Parfum, aber der sympathische Anblick des kleinen Grübchens, das von den Knochen am unteren Ende ihres vollen Halses gebildet wurde, verlockten einen dazu, sein Gesicht dort, wo der Körper auszuatmen, wo er wie kaum sichtbaren Rauch Leben auszuströmen schien, zu verbergen.
Seite an Seite legten sie sich im Sand hin; sie hatte eine von seinen Zigarren genommen und ließ sie sich schmecken. Hin und wieder stützte sie sich seitlich auf einen ihrer Ellbogen, um etwas zu fragen oder zu unterstreichen, und dabei fuhr sie mit der einen Hand unter ihr unordentliches Haar, während die andere halb unter ihrem Körper lag, die aufeinanderliegenden Brüste verdeckt vom Aufschlag ihres Hemdes. Sie mochte sein was immer, eine Kokette war sie nicht.
»Wie lange läuft Ihr Vertrag – mit Aleke?«
»Achtzehn Monate.«
»Und danach – werden Sie zurückgehen?«
»Wohin?« sagte sie. Er dachte an die Hauptstadt, für ihn war es schon zur Selbstverständlichkeit geworden, daß er dachte, man müsse einen festen Wohnsitz haben. »Ich weiß noch nicht, wohin. Vielleicht gehen wir nach Südafrika. Wegen Cabora Bassa.«
»Das liegt in Moçambique – meilenweit überhaupt nichts.«
»Er wird aber für die Südafrikaner arbeiten. Sie werden ihn in südafrikanischer Währung bezahlen. Aber vielleicht verlängere ich hier auch nur – um weitere achtzehn Monate. Werden ja sehen. Auf alle Fälle möchte ich Alan und Suzi in ein Internat schicken.«
»Aber doch nicht in Südafrika.«
»Na, doch. Für Rhodesien hab ich schon gar nichts übrig. Und viel länger können sie hier nicht bleiben …« Sie war ängstlich darauf bedacht, seine Gefühle nicht zu verletzen – indem sie etwa andeutete, seine großen Pläne für das
Weitere Kostenlose Bücher