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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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– in die Gezeiten eines anderen Wesens hinausgeschleudert, in das Steigen und Fallen ihres Atems, das gleichmäßige, dumpfe Pochen ihres Herzens, das seltsame kleine Geräusch, das sie beim Schlucken machte.
    »Wie lange kannst du bleiben?«
    »Solang es uns gefällt.«
    Jetzt küßte er sie – fürs letzte ebenso wie für dieses Mal – und legte seine Handfläche schützend auf ihren Bauch und die harte Rundung ihres Beckens in den engen, abgetragenen, alten Jeans, die ihr nicht standen. Alles war ganz selbstverständlich zwischen ihnen. Er zog sie aus und brachte sie zu seinem Bett in jenem kahlen, männlichen Zimmer, das er noch nie mit einer Frau geteilt hatte; es war das Zimmer eines Schuljungen
und
das eines alten Mannes in einem, das Zimmer, das er hinter sich gelassen hatte und das gleichzeitig irgendwo in der Zukunft seines Lebens noch auf ihn wartete. Aber das enge Bett war wieder erfüllt, er war erfüllt, und alles war da, der Körper, der zitternd ins Wasser gelaufen war, die kräftigen Beine, deren Fleisch gebebt hatte, die schwingenden Brüste. Diesmal betrachtete er jede Einzelheit, verfolgte, wie die Brustwarzen zu dunklen, zwischen seinen Fingern hin und her rollenden Murmeln wurden, fand er die feine, durchscheinende Haut, unter der wie ein unterirdischer Flußeine Vene verlief, wo das elastische Haar aufhörte und der Oberschenkel sich emporwölbte, entblößte er den Vorhof aus mauver Haut, wo sich die Hinterbacken am unteren Ende ihrer Wirbelsäule teilten. All das sah er und noch mehr, ehe er über ihr kniete und sie in ihrer praktischen Art so nebenbei sagte: »Keine Sorge« (weil sie selbst für sich sorgen konnte, und im Bewußtsein, daß man ihr vertraute, daß sie keinen Ärger machen würde), und mit ihrer Hand fuhr sie unter seinem Körper hinauf, faßte das Ganze, das schwere Bündel des Geschlechts, und verlieh der Fremdheit Ausdruck, dem Staunen über das Anderssein ihrer beiden Körper, und in all das, was er betrachtet hatte, drang er ein und öffnete die Grenzen seines Körpers wie in einer Explosion in den ihren.
    Sie war eine Frau voll sexuellen Stolzes. Sie sagte: »Du hattest eine Menge Samen.« Er hatte Mund und Nase in ihrem Haar begraben und roch das dumpfig-schale Seewasser. Zwischen zwei Augenblicken war er eingeschlafen und wieder aufgewacht; seine Hand zog sich von ihrer feuchten Brust zurück und folgte der Vertiefung, die zwischen der Wölbung ihrer Hüfte und dem Brustkasten lag, wie man über die Saiten einer Gitarre streicht, bevor man sie weglegt.
    Sie drehten das Licht aus, und in der Dunkelheit unterhielten sie sich miteinander. Es war die alte Geschichte; der entlastete Körper entlastet den Kopf. So wird in Betten Vertrauen gebrochen, Tratsch verbreitet, werden Geheimnisse eröffnet. Er war sich dessen bewußt, aber nichtsdestoweniger redete er mit ihr; über Shinza. »Ich habe diese unsinnige, fixe Idee: Wenn ich ihn wiedersehe – dann werde ich’s wissen.«
    »Diesen Gedanken hatte ich auch. In bezug auf dich und mich. Wenn –
wenn
– es dazu kommen sollte – einmal noch –, so dachte ich, dann werde ich’s wissen.«
    »Was?« hänselte er sie. Sein Geschlecht erhob seinen stumpfen Kopf und stieß zart gegen sie, wie ein Tier, das im Schlaf aufgestört worden war.
    »Was wir tun würden«, sagte sie.
    In der Woche fuhr er in die Bashi. Vor dem europäisch anmutendenHaus von Häuptling Mpana wurde der Mann in den sauberen, grauen Flanellhosen und den polierten Schuhen von einem Kind angehalten. Der Junge erklärte, Shinza sei krank. Bray sagte, daß er das bedaure; ob er denn hinübergehen und ihn in seinem Haus aufsuchen dürfe?
    »Nein, er ist krank.«
    Aber er werde doch sicher guten Tag sagen dürfen? Was es denn für eine Krankheit sei?
    Er schlafe. Er schlafe, weil er krank sei.
    Die Augen des Jungen sahen aus wie die Innenseite einer Muschel, undurchdringlich und mit einem membranartigen Schimmer, als läge ein dünner Quecksilberfilm darüber. Obwohl sein Gesicht mager war, wirkten seine Lider fleischig und weich. Er sagte: »Er ist krank.« Es war die verächtliche Unbelehrbarkeit, die zu Zeiten des Kolonialismus so gut funktioniert hatte; man konnte sich darauf verlassen, daß der weiße Mann kehrtmachen und einen in Ruhe lassen würde: blöder Nigger.
    »Wenn er wüßte, daß ich es bin, dann würde er mich sehen wollen.«
    »Er ist krank.«
    Bray kehrte zum Wagen zurück und rauchte eine Zigarre. Auf dem Sitz lag eine große Kiste für

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