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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Männer und Frauen, die in der Dörrfisch»Fabrik« angestellt waren – »diese Stöcke im Sand mit ein paar Fischen drauf, die Sie draußen sehen können« –, waren für alle anderen Arbeiten unbrauchbar. Sie hielten sich an keine geregelten Arbeitszeiten, den einen Tag waren sie krank, am nächsten fingen sie erst nachmittags an, sie hatten Schmerzen in den Beinen – er lachte nachsichtig. »Sie haben was zu tun und verdienen sich damit das Geld für ihren Tabak.« Natürlich war die Gesellschaft Besitzer der Dörrfischanlage. Es hatte sie schon vorher gegeben, eine unbedeutende private Konzession, die die Gesellschaft zusammen mit ein paar Booten und dem Recht auf Benützung des Landestegs aufgekauft hatte, als man die fabrikmäßige Produktion aufnahm. Sie warf im Jahr ein paar tausend Sack Dörrfisch ab, die in die Minen gingen – aber die Nachfrage gehe zurück, weil die Minen noch vor der Unabhängigkeit fast alle Wanderarbeiter abgebaut hätten und weil den Arbeitern, diebei ihren Familien lebten, nicht jene Rationen zugeteilt würden wie den Arbeitern in den Lagern. Für den übrigen Markt hätte die Gesellschaft die Dörr- und Gefrierfischfabrik in Gala, wo, wie Bray ja wissen müsse, alles maschinell erledigt werde. Und diese Leute hier – er machte eine wegwerfende Handbewegung – »die Gesellschaft läßt sie also einfach da, wo sie sind«. Die Gewerkschaft, die gleichzeitig mit der Inbetriebnahme der Fabrik gegründet worden war, erkannte sie nicht an.
    Als er vom »Ärger« der Vorwoche anfing, wurde sein Gesichtsausdruck verschlossen – der Ausdruck eines Mannes, der all das schon vor einer Versammlung angeführt, es, vielleicht, viele Male wiederholt und dabei immer hartnäckiger Zweifel oder abweichende Interpretation zurückgewiesen hatte. »Und jetzt kommen irgendwelche Leute daher und behaupten, die Leute, die den Fisch dörren, arbeiten hier, arbeiten für die gleiche Gesellschaft, und warum sind sie dann nicht in der Gewerkschaft? Sie behaupten, daß sie zu wenig bekommen, daß es schlecht für uns ist, wenn sich jemand mit einem Schandlohn zufriedengibt. Woher würden wir denn wissen, ob sie nicht eines Tages für unsere Arbeit herangezogen würden, wenn es Ärger geben und wir streiken sollten?« Er zog seine Lippe verächtlich in die Höhe und stieß die Luft aus, als wäre das Ganze mehr als lächerlich. »Natürlich sind sie sich dabei darüber im klaren, daß das alles Blödsinn ist. Wie sollten denn Frauen und Greise unsere Arbeit tun; alles, was sie könnten, wäre den Boden aufwischen! Sie verstehen nichts vom Verpacken und kennen sich bei den Maschinen in der Gefrieranlage nicht aus.«
    »Warum kümmern die sich dann um diese Leute?«
    »Warum, Sir? Ich werd es Ihnen verraten. Das sind Leute, die von sich behaupten, sie seien die PIP , aber sie sind nicht die PIP . Sie möchten der PIP in der Gewerkschaft Ärger machen. Sie möchten hier Streiks organisieren. Ich kenn die. Die suchen nichts als Ärger.«
    Er sah so aus, als sei er seiner Sache sicher. »Sie sind zwar von hier. Aber sie haben Freunde – dort« – er bohrte mit dem Fingerein Loch in die Luft – »in Gala, in der Fabrik, oben in der Stadt – ich weiß es.«
    »Dann hat’s also eine Schlägerei gegeben?« sagte Bray.
    »Ärger, Ärger bei der Versammlung. Ein Teil von unseren Leuten will, daß sie aus der Gewerkschaft ausgeschlossen werden. Und da gab’s anschließend eine Schlägerei – Ärger.«
    »Und Sie – wollen Sie auch, daß sie ausgeschlossen werden?«
    Er lächelte Bray unter seinem zerzausten Schnurrbart heraus an – von Kopf bis Fuß ein Profi: »Man braucht der PIP nicht zu sagen, daß sie sich um die Arbeiter hier kümmern soll. Die müssen umdenken, sie müssen zur Vernunft kommen.«
    Bray unterhielt sich noch ein wenig mit ihm und bekam ein paar brauchbare Informationen über die Heimat der Trawlerbesatzungen und Fabrikarbeiter; wie sich herausstellte, lebten Rubadiris Frau und Familie ebenfalls nicht in unmittelbarer Nähe, sondern in einer der Siedlungen weiter oben am See.
    Bray war sich bewußt, daß er das Mädchen beinahe eine Stunde lang im Wagen hatte warten lassen, aber als er die Gestelle mit dem gedörrten Fisch entdeckte, die an eine Art Getreide erinnerten, das an der anderen Seite der Mole entlang aufgestapelt lag, ging er schnell hinauf, um sie sich anzusehen. Es stimmte, daß es eher wie ein kleiner, lokaler Fischereibetrieb aussah als wie eine von mehreren Unternehmungen

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