Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
Vom Netzwerk:
Shinza. Sie sollte er auf alle Fälle dalassen; er war schon wieder auf dem Weg zum Haus, in der Hand die Zigarren, als er, einem Impuls folgend, einen Bogen machte und zur großen Hütte hinüberging, wo Shinza und das Mädchen mit dem Baby wohnten. Im Hof hielten sich nur Kinder auf. Die Tür stand offen, und bevor er leise anklopfte, sah er, überwältigt von einem Gefühl der Vertrautheit, den Kartentisch, auf dem sich Papiere häuften, den Schiffskoffer mit dem Kaffeeservice darauf, das Familienphoto der Politiker, das schief an der Wand hing – dann aber tauchte Shinzas Mädchen auf, Shinzas Frau, in den Armen das Baby, das nun nicht mehr gelblichrosa war; wie ein anfangs blasses, junges Blatt hatte es Farbe angenommen. Sie begrüßte ihn scheu, formell. Er bat um Entschuldigung; und wie Shinza sich denn fühle?
    Sie sagte: »Oh? Oh, es geht ihm gut.« Sie sprach plötzlich ein Englisch, wie man es in Missionsschulen lehrte. »Aber ich dachte, er ist krank und liegt im Bett?« Sie stand da und blickte ihn einen Moment lang tief an, verdutzt – von seiner Gegenwart wie in einem blendenden Licht gefangen. Dann ging sie hinüber und verschloß hinter ihm die Tür. Das Licht im Raum war dämmrig, und man fühlte sich in ihm geborgen; das Stroh quietschte, ein Wecker tickte. Er konnte sie kaum noch erkennen und sagte: »Was ist denn mit Shinza los?« Seine Stimme kam ihm überlaut vor.
    Sie beugte sich vor: »Er ist wieder fort. Aber erzählen Sie’s niemand.«
    »Über die Grenze?«
    Es machte ihr angst, daß sie etwas gesagt hatte. »Ich glaube ja.«
    Er sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin gleich wieder weg. Sollte mich jemand sehen, dann sage ich, daß Sie mich nicht zu ihm lassen wollten. Das geht schon in Ordnung.«
    Wie die Tentakel irgendeines kräftigen Unterwassertieres bewegten sich die Arme und Beine des kleinen Jungen in ihrem Schoß in der Luft. Sie sagte: »Muß ich ihm sagen, daß Sie da waren?«
    »Wenn Sie nicht befürchten, deswegen Ärger zu kriegen.«
    »Ich werd’s ihm sagen.«
    Das Baby stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Er flüsterte: »Ihr Sohn ist ein Prachtjunge«, und nahm die Kiste Zigarren wieder mit – für den Fall, daß sie doch beschloß zu vergessen, daß er hergekommen war.

 
     
    DER NEUE POLIZEICHEF war eingetroffen; ein Mann aus der Zentralprovinz, aber ein Dendi von einem der Stämme, die gala sprachen. »Ehemaliges Mittelgewicht«, sagte Aleke. »Soll vor zirka zehn Jahren um den Titel gekämpft haben.«
    »Weiche Birne?«
    »O nein, der ist ganz in Ordnung im Oberstübchen.« Aleke lachte.
    Rebecca erzählte ihm: »Der neue Polizeichef hat hereingeschaut und nach dir gefragt.« »Wirklich? Was kann er denn von mir wollen?« Als er das nächste Mal im
boma
war, steckte sie den Kopf rasch durch die Tür: »Er ist wieder da.« Ein paar Minuten danach mischte sich auf dem Korridor unter die Stimme Alekes die eines anderen, und Aleke führte einen Mann herein, der Brays eigene Größe hatte sowie die gebogene, an den Nasenflügeln aber abgeflachte Nase, die die Vermischung von arabischem Sklavenhändlerblut mit dem der ansässigen Bevölkerung hinterlassen hatte. Obwohl das ganze Gesicht auf Boxerart verzogen war – die Nase war offenbar nicht gebrochen. Aleke empfahl sich. »Ich werde dem Boy sagen, er soll euch Tee bringen.«
    »Ich freue mich, daß Sie hier in diesem Bezirk sind, Colonel, ist eine Ehre.«
    »Und Sie – sind Sie mit Ihrer Beförderung zufrieden?«
    Der Austausch von Liebenswürdigkeiten ging weiter. »O ja – nun, man gewöhnt sich an diese ständige Umzieherei. Wissen Sie, wir sind noch immer dabei zu reorganisieren. Es ist ein junger Staat, nicht wahr? Nun, auch ich bin gerade dabei, alles zu organisieren – es gibt immer ein paar kleine Veränderungen, wenn man einen Job übernimmt. Aber ich glaube nicht, daß ich Probleme haben werde. Ab jetzt gibt’s keine so unliebsamen Vorkommnisse mehr. Ab jetzt geht alles« – er spreizte seine Finger und riß seine Hände auseinander – »strikt und korrekt zu …«Und er lachte und schüttelte damit gleichsam die kleinen Sünden der Vergangenheit ab.
    »Ich hab gehört, welchen Ruf Sie im Ring genießen«, sagte Bray. »Ich werde mich an Sie wenden müssen, damit Sie ins Zentrum kommen, um uns ein paar Tips zu geben. Wir werden da auch verschiedene Freizeitclubs haben.«
    »Aber mit Vergnügen, mit Vergnügen, wenn ich es irgendwie unterbringen kann – der Job, den ich da habe, erfordert

Weitere Kostenlose Bücher