Der Ehrengast
von Status quo beizubehalten, die die Europäer Stabilität nennen – die Stabilität überseeischer Investitionen, die Stabilität, so arm zu sein, daß man einmal im Jahr einen Festtag hat, und zwar dann, wenn die Raupen auf den Mopanebäumen ausschlüpfen? Aber wir wünschen uns Instabilität, Bray, wir wünschen uns Instabilität für die Armut und Rückständigkeit dieses Landes, wir möchten, daß die Leute an der Spitze jetzt für ein paar Jahre ein bißchen ärmer sind, damit die tatsächliche, die traditionelle, die Armut, die absolut unter jeder Würde ist, endlich in ihrer berüchtigten Stabilität kaputtgemacht wird, damit sie endlich, endlich aus der Scheiße herausgezogen werden kann …«
Wie gebieterisch, wie lebendig diese beiden die Hand nach anderen ausstreckten – er und Mweta. Bray sagte: »Ich muß gestehen, es kann sein, daß er irgendeine Ahnung davon hat, daß du über die Grenze gehst. Er erwähnte irgendwas – bevor ich dich wieder besuchen wollte. Ich habe dem zum damaligen Zeitpunkt nicht allzugroße Beachtung geschenkt.«
»Grenzen! Das bedeutet in den Bashi überhaupt nichts«, sagte Shinza. »Die Leute überqueren sie jeden Tag, um ihre Ziegen zurückzuholen. Du hast vergessen, daß wir zum selben Volk gehören – auf beiden Seiten der Grenze.«
»Wenn ich mir schon vorstellen kann, was du da machst, dann ist es nur logisch, daß er’s wahrscheinlich auch kann.«
Shinza zog den Rauch gedankenverloren und genüßlich einund schluckte ihn hinunter. Hatte er sich einmal eine Zigarette angezündet, dann blieb sie so lange in seinem Mundwinkel, bis sie bis zu seinen Lippen heruntergebrannt war.
Bray sagte: »Was hat es mit dieser Sache auf sich – mit Somshetsi und Nyanza.«
»Wie’s im Exil so ist.« Er blickte starr geradeaus, wie um zu verhindern, daß sich Brays Gedanken von dieser Deutung entfernen könnten. »Sie vertragen sich nicht mehr so besonders … Nyanza hat immer alles ein bißchen auf die leichte Schulter genommen und darauf gewartet, daß ihm die Früchte in den Schoß fallen. Als Mweta sagte, verschwindet, da ist er bloß schnurstracks zu Somshetsi« – er warf sein bärtiges Kinn zurück – »und hat gesagt: ›Pack deine Sachen zusammen‹; kam ihm nie in den Sinn, ein bißchen auf den Tisch zu hauen, ein paar Freunde darüber zu informieren … Ich meine, sie hätten ja Zeit schinden, sich weigern, beim Flüchtlingskommissar der UNO protestieren können …«
Sie grinsten. »In Anbetracht der Art und Weise, wie peinlich genau sie die Regeln der Gastfreundschaft beobachteten«, sagte Bray, tat aber gleich seine Vorbehalte mit einer Handbewegung ab.
Shinza sagte nüchtern: »Na, das ist es in etwa. Somshetsi glaubt, Nyanza möchte sich bloß bequem niederlassen, sobald er wieder einmal woandershin abgeschoben wird. Somshetsi möchte, daß was weitergeht. Er hat nicht die Absicht, im Kreis seiner Enkelkinder im Bett zu sterben. Natürlich kann man Unterstützung kriegen, wenn man zu erkennen gibt, daß man etwas unternehmen will.«
»Ist nicht viel, was man unternehmen kann, wenn ein ganzer Staat dazwischenliegt.«
»Nein, das stimmt.« Shinza pflichtete desinteressiert bei.
»Für mich ist offensichtlich, was du Somshetsi anzubieten – zu versprechen hast, aber nicht offensichtlich scheint mir, was er dir Wertvolles anzubieten haben kann.«
Zwischen ihnen herrschte das Einverständnis von zwei Menschen, die logen; Shinzas gebogene, nackte, gelbe Zehen mitihren dicken, ungeschnittenen Nägeln; die Stille, auf sonderbare Weise leicht. Mit einer enormen Anstrengung, auszubrechen: »Außer du denkst daran, einen Guerillakrieg zu beginnen.«
»Und dann?«
Es wurde ihm aus der Nase gezogen; Shinza wollte es einfach nicht selbst gesagt haben. »Ich vermute – du könntest ihm den Weg über die Grenze erleichtern, er könnte von drüben Waffen mitbringen, ihr könntet gemeinsam was unternehmen. Genau wie die südafrikanischen und rhodesischen Guerilleros, die über Zambia arbeiten. Bloß mit mehr Erfolg, würde ich meinen. Es würde davon abhängen, ob du dich auf Gewalt einlassen willst.«
Shinza nickte mit dem Kopf, während er einer auswendig gelernten Lektion lauschte. Dann sagte er: »Ich weiß immer ganz gern, daß ich eine Chance habe zu gewinnen.«
Vielleicht spielte er damit darauf an, wie hoffnungslos die Gründung einer neuen Partei wäre, vielleicht – halb im Spaß schauderte er zusammen – wollte er damit sagen, er würde nicht als
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