Der Ehrengast
Sieger aus einem Guerillakrieg hervorgehen, den er unvernünftigerweise angefangen hätte.
»Wirst du dich beim Parteikongreß sehen lassen?«
»Sehen lassen? Klingt, als sprächst du von einer Tanzveranstaltung.« Er drückte seinen Rücken durch, saß kerzengerade da. »Ich bin Mitglied des Exekutivkomitees. Noch. Ich werd zur Stelle sein.«
»Bravo!« – Wie leicht ich umfalle, wohin immer er auch will.
»Und du, wirst du auch dasein?«
Er parierte, aus der gleichen Stimmung heraus: »Ich bin Parteimitglied. Ich nehm an, daß ich’s noch bin, oder? Aber ich gehöre selbstverständlich zu keiner mir bekannten Delegation.«
»Ach, dafür wird schon er sorgen. Erinnere ihn dran.« In einer Weise zufrieden, die in Bray ein unbehagliches Gefühl erzeugte, sagte Shinza: »Du lieber Himmel, ich wollte mit dir reden, verstehst du, James? Es ist schon in Ordnung, ist schon in Ordnung. Ich wußte, daß mit dir alles in Ordnung sein würde. Dir kann man nichts vormachen.«
»Shinza, ich hab die eine – na – verrückte Hoffnung. Was den Kongreß betrifft. Vielleicht kannst du irgendwas tun – was die Richtung angeht. Das ist der richtige Ort dafür.«
»Na gut, komm hin und sieh dir’s an. Komm und hilf uns.« Shinza war nicht besonders gut darin, Herzlichkeit zu zeigen; er lachte sich mit seinem asthmatischen Raucherlachen selbst aus. »Komm und laß dich gemeinsam mit mir rausschmeißen – wie in der guten alten Zeit.«
Der Hund hatte sich aufgerichtet und stand, mit seinem buschigen Schwanz wedelnd, in der Verandatür. Boxer erschien und kündigte, als er über die Stufen hinaufstieg, sein Kommen durch übertriebenes Grunzen an, durch Seufzen und Puhen; dem Hund war das rätselhaft. Boxer sprach den Schwarzen an, der lässig und demonstrativ locker in seinem Wohnzimmer saß, wie jemand, dessen Ausdruck von Intimität – sofern sie einen hat – sich durch das Maß der Distanz von der augenblicklichen Umgebung definierte. »Ihnen geht’s gut, Shinza? Versteht sich. Wie war das Gras in diesem Jahr? Natürlich, Rinder langweilen Sie, ich weiß. Aber Ihr Schwiegervater – er muß gute fünf- oder sechshundert Kopf haben, hm? Die korrekte Ziffer erfährt man ja nie. Aber diese Burschen da unten, die haben schon respektable Herden. Wär ganz gern daran beteiligt. War das Blutharnen dies Jahr sehr schlimm da unten? Hier war’s absolut säuisch. Fünfzehn oder sechzehn Viecher sind mir dabei draufgegangen.«
Shinza stand nicht auf; aufreizend zwanglos für die Begriffe eines Weißen – aber er strengte sich ehrlich an, mit Boxer über Dinge zu reden, die diesen interessierten. Überraschenderweise verstand Shinza viel von Rindern; wie von allem anderen, das man ihm nicht zugetraut hätte. Sein Verhalten gegenüber Boxer erinnerte Bray an das eines Erwachsenen, der einen seiner ehemaligen Hauslehrer aufsucht; eine Mischung aus Freundlichkeit und Mitgefühl wider Willen, begleitet vom Bewußtsein, den Lehrer auf für ihn selbst unfaßbare Weise übertroffen zu haben. Als Shinza wieder in Mpanas altem Wagen davongefahren war, sagte Boxer unschuldig: »Jetzt können wir uns in aller Ruhe einen genehmigen. Sie haben ihm doch hoffentlich um Himmels willen nichts gegeben. Er kommt sich viel zu grandios vor, als daß er es zurückzahlen würde.«
»Aber ich dachte, Sie hätten sich geweigert, ihm ein Darlehen zu geben.«
»Da haben Sie verdammt recht, ich habe mich geweigert. Schon ’ne Ewigkeit her. Er wollte Geld, um mit dem politischen Kram anzufangen – die Partei von denen –
Ihnen
brauch ich das ja nicht zu erklären. Aber Mpana, dieser andere alte Teufel, der hat mich einmal um einen Bullen zum Decken gebeten – kein Wunder, daß seine Herde so gut gedeiht. Hab nie auch nur einen Pfennig gesehen. Eines Tages fahr ich da noch runter und schau mir seine Jungkühe an, und dann sag ich: Sehen Sie her, alter Mann, ich entdecke in Ihrem Haus meine Töchter – Sie wissen, irgendwas, das er zu schätzen wüßte.«
Er mußte den Abend mit Boxer verbringen. Eine lange vergrabene Einsamkeit – nicht so sehr eine Folge der Isolation, sondern seiner einspurigen Besessenheit – weckte in dem Mann einen schwachen Impuls. Trübe Weinflaschen, die er anläßlich eines seiner seltenen Besuche in der Hauptstadt beim libanesischen Importeur erstanden hatte, wurden kommentarlos herbeigeschafft und aufgemacht (wie Shinza verfügte Boxer über ein gewisses Maß an Taktgefühl), dennoch aber im Bewußtsein, daß es ein
Weitere Kostenlose Bücher