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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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vermutlich. Die sind die einzigen, die einen haben, der fertig ausgestattet und fahrbereit ist.«
    Aus irgendeinem Grund wollte Rebecca, daß er zum Mittagessen ins Haus der Tlumes kam – für gewöhnlich holte sie eilig die Kinder von der Schule ab, um ihnen zu essen zu geben, es sei denn, sie gingen zufällig zu Schulfreunden nach Hause, so daß sie zu ihm kommen konnte. Ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen, sagte er ja, weil er um die Mittagszeit im
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einen Anruf von Joosab erhalten und ihn nun aufzusuchen hatte, wobei ihm schon von vornherein klar war, was es mit der dringlichen und im Entschuldigungston ausgesprochenen Einladung auf sich hatte. Und tatsächlich, I. V. Choonara von der Islamischen Gesellschaft hatte sich in Joosabs Schneiderei eingefunden. Dort brachten, zwischen Bügelbrett, Nähmaschine und dem Tresen mit der an einem Bindfaden befestigten langschnäbeligen Schere, die beiden älteren Herren »die Sorge der Kommune« bezüglich Gandhi-Halle und -Schule »zum Ausdruck«. Dort hielt er zweimal die Woche seinen Kurs für die Ortsparteistelle der PIP ab – über die notwendige ökonomische Basis panafrikanischer Vorhaben. Die Mitglieder des Islamischen Komitees stellten sich die Frage, ob es zum gegenwärtigen Zeitpunkt klug sei, daß sich die jungen Männer gerade in der indischen Schule träfen … Was sie tatsächlich sagen wollten, war, daß sie die Schule und Werkstätten für das Erwachsenenbildungszentrum so lange schließen wollten, wie es diese Unruhen gab. Es überraschte ihn nicht; obwohl er insgeheim an der Wahrscheinlichkeit zweifelte, daß diese PIP -Klasse unter den gegebenen Umständen hier auftauchen würde. Bei einigen indischen Läden waren, wie er am Morgen festgestellt hatte, die Holzrollos nicht aufgezogen worden.
    Rebecca und das Sammelsurium aus schwarzen und weißen Kindern, das sie von der Schule mit zum Haus der Tlumes gebracht hatte, saßen schon bei Tisch. Es gab Limonade und Kuchen. »Sie bestanden darauf, daß du mit dabei bist«; er begriff, daß es sich um ihren Geburtstag handelte, und nicht um deneines der Kinder. »Hätte ich wissen müssen, wann du Geburtstag hast?« Sie lachte – »Ich glaube, ich hab’s dir einmal gesagt. Als ich dein Sternzeichen wissen wollte.« »Meins sind die Fische«, sagte der Kleine, Clive.
    Er durfte ihr – weil sie Geburtstag hatte – vor den Kindern einen Kuß geben. Obwohl sie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihn zwang, die geräuschvolle und nicht besonders genußreiche Lunchparty mitzumachen, fühlte sie sich eher glücklich und geschmeichelt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Kinder zu stehen. Sie hatten Geschenke für sie – Zeichnungen und bemalte Objekte aus Gips, die sie in der Schule angefertigt hatten. Clive erinnerte sie an Daddys Geschenk oben auf der Garderobe. Eine aufwendig verpackte Schachtel, in der ein durchsichtiger Stein an einer silbernen Kette lag. Es war eins der Dinger, die aus Ceylon kommen und von indischen Juwelieren in Daressalam oder Mombasa gefaßt werden. Suzi zwang sie, es anzulegen, und während der ganzen Mahlzeit baumelte es an der Stelle, an der ihre Brüste im Ausschnitt ihres Kleides gegeneinandergepreßt wurden. Sie mußte das Päckchen eigens aufgehoben haben, um es an ihrem Geburtstag zu öffnen.
    Ob nun Selufu danach geschickt hatte oder nicht – am Nachmittag tauchte jedenfalls von anderen Polizeiposten rund um die Stadt Verstärkung auf. Verwirrt und staubig standen sie mit der gesichtslosen Autorität von Fremden an den Straßenecken vor der amerikanischen Bar, vor den Stiefelputzern und den Ständen der Fahrradmechaniker zwischen den gigantischen Wurzeln der Mahagonibäume entlang der Hauptstraße, unter dem Sklavenbaum im Industriegebiet der Stadt. Er war auf der Suche nach einem hübschen Geschenk für Rebecca und machte die Runde, aber es gab keinen einzigen Platz, an dem er nicht auf sie gestoßen wäre.
    Was konnte ein Mensch in Gala schon auftreiben? Er fuhr sogar zurück zu Joosab, um sich bei ihm zu erkundigen, ob er nicht irgendeinen der indischen Läden wüßte, in dem ihm außer japanischen Baumwollstoffen nichts vorgelegt worden war, der aberirgendwo noch für die Hochzeit einer Tochter einen eleganten Seidensari versteckt haben mochte. Aber es gab gar nichts; nicht einmal ein Flacon mit gutem französischem Parfum in der Drogerie – »kein Bedarf für so was«. Schließlich kaufte er einen Lederkoffer für sie, der in einem Hinterzimmer der

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