Der Ehrengast
Abteilung für Herrenausstattung in Deal’s Supermarket aufgestöbert wurde; es war das einzige schöne Geschenk, das in ganz Gala aufzutreiben war, und mußte schon jahrelang dagelegen haben, zu teuer, als daß es sich hätte verkaufen lassen – und, eingewickelt in eine billige Reisedecke, hatte es seit der Zeit vor seinem Weggang von hier, vor zehn Jahren, da gewartet. Er trug ihn zum Volkswagen, nicht ganz zufrieden, aber er war besser als nichts, und bevor er die Straße überquerte, mußte er stehenbleiben, um den Lautsprecherwagen der PIP vorbeizulassen. Eine verschüttete Stimme plärrte furchteinflößend etwas, das zwar unüberhörbar, dessen Inhalt allerdings unverständlich war. Frank Rogers, der Besitzer des Getränkeladens und der Fisheagle Inn, ehemals Bürgermeister von Gala und Mitorganisator der Intrige, die zur Rückberufung des D. C. geführt hatte, stand wartend neben ihm. Das Gelb von Rogers Zähnen war ebenso verrostet wie das seines blonden Haars. Er grinste. »Daß Sie uns nicht einfach wieder abhauen, Bray, hm?«
»Abschiedsgeschenk für einen meiner Mitarbeiter im Bildungszentrum.«
Natürlich wissen alle, daß Bray eine Frau hat – zuerst hat er zu den wilden Typen unter den Schwarzen gehalten, jetzt kommt er wieder und sucht sich, weit weg von irgendwelchen Scherereien zu Hause, ein Flittchen. Das finden Weiße wie er so toll – zu tun und zu lassen, was einem paßt, die Schwarzen kümmert das ohnehin einen Dreck.
– Er wußte, daß man die alten Gerüchte, er halte sich eine schwarze Geliebte, wieder aufgewärmt hatte, sobald er nach Gala zurückgekehrt war – die empörten Weißen projizierten sämtliche Sehnsüchte nach den eigenen Hinterhöfen auf diejenigen, die mit ihnen wohl die Hautfarbe, nicht aber die politische Überzeugung teilten. Würde sich die unzweifelhafte Existenz einerweißen Geliebten weniger als Schandfleck erweisen als das Hirngespinst einer schwarzen? Es wäre amüsant gewesen zu erfahren, ob man eine weiße Geliebte für ein kleineres oder größeres Zeichen der Degeneration hielt.
Und würde Olivia, auf ihre Art, eine Schwarze weniger ausmachen als eine Weiße? (Sie wußte von dem bezaubernden schwarzen Mädchen, an dem er vor seiner Heirat in Daressalam so sehr gehangen hatte.) Würde sie ein schwarzes Mädchen in Hinblick auf ihn verständlicher finden? Nicht weil sie der Meinung war, schwarze Frauen würden auf ihrer Ebene nicht zählen, sondern weil sie selbst viele von ihnen schön gefunden hatte und sich gut vorstellen konnte, daß ein Mann bei Negerinnen bestimmte Qualitäten entdecken würde, die die westlichen Frauen gegen die Emanzipation eingetauscht hatten. Auch das zu wissen wäre interessant gewesen; andererseits aber – er würde es nie wissen. Olivia würde niemals etwas von der Existenz dieses Mädchens erfahren, niemals leiden. Diese Tatsache schien unanzweifelbar, während er gleichzeitig mit diesem Mädchen zusammenlebte und es keinen Plan oder Gedanken gab, in den er ihre Gegenwart nicht einbezog. Die Vorstellung, das Mädchen »aufzugeben«, existierte nicht; und doch akzeptierte er gleichermaßen, daß Olivia unverletzt, unberührt, in der Gegenwart einbalsamiert bliebe. Sein ganzes Leben lang hatte er nach dem Vernunftprinzip gelebt; jetzt herrschte die Unvernunft, und paradoxerweise war er erlöst; heil; eine Schlange, die sich in den Schwanz biß. Eine Erklärung? Die Sache war die, daß er nicht die Notwendigkeit empfand, von sich eine Erklärung zu fordern. Überhaupt keine.
Tom Msomanes Staatssekretär im Arbeitsministerium flog nach Gala, um sich ein Bild von der Eisenbahngeschichte in Kasolo zu machen, und landete auf dem Flugfeld in der Nähe des Gefängnisses, beobachtet von barbäuchigen Kindern. Aber da war die ganze Sache bereits beigelegt. Drei Männer, die der Versenkung von Staatseigentum in den Solo-Fluß angeklagt waren, erwarteten ihren Prozeß, und die übrigen waren wieder an ihre Arbeitsplätzezurückgekehrt; nur der Italiener, der, um Hilfe zu holen, durch den Busch gerattert war, weigerte sich zurückzukehren. Der Staatssekretär wurde in der Ortschaft Kasolo mit einem großen Bierumtrunk willkommen geheißen und hielt eine Rede, in der er die Dorfbewohner darüber aufklärte, wieviel mehr Geld und Arbeit für den Bezirk die Eisenbahnlinie mit sich bringen würde.
Während seines Aufenthaltes in der Umgebung war Staatssekretär Caleb Nyarenda bei den Alekes zu Gast. Er war ein kleiner, lebendiger Mann
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