Der Ehrengast
mit buschigem Haar, der hinter seiner gepflegten Hand ausgiebig rülpste, während er starken Tee trank und Anekdoten aus den Tagen erzählte, als er in der Hauptstadt Geldeintreiber eines Bestattungsinstitutes gewesen war. Vielleicht hatte er in seinem Umgang mit Menschen noch immer zuviel von jener taktvollen Nur-bis-zur-Tür-und-nicht-weiter-Art; er bemerkte, die Dorfbewohner in Kasolo seien sehr freundlich gewesen, aber »keiner von ihnen kam zu mir, um mir zu erklären, was wirklich vorgefallen war. ›Ach, die Sache, letzte Woche‹« – er demonstrierte, wie sie es abgetan hatten – »schließlich bin ich nicht zu einer Hochzeit hier heraufgekommen.«
»Nun, sie waren einfach erfreut, Sie zu sehen, das ist alles«, sagte Aleke. »Die Menschen haben gerne das Gefühl, daß die Regierung von ihnen Notiz nimmt.«
»Einen von diesen riesigen Erdfressern in den Fluß hineinzubugsieren ist ein seltsamer Versuch, zur Notiz genommen zu werden!« Nyarenda suchte lachend nach Bestätigung.
Jemand erwähnte den italienischen Vorarbeiter, der sich noch immer in Gala aufhielt und den ganzen Tag hinter seiner dunklen Sonnenbrille auf der Veranda des Fisheagle Inn Beobachtungen machte, während er selbst, das an einem Halskettchen blitzende Kreuz über der behaarten Brust im offenen Hemdausschnitt, unbeobachtet blieb. Bray sprach ein wenig Italienisch und war betont freundlich, wenn er zufällig vorbeiging. Der Vorarbeiter erzählte ihm, er wolle per Anhalter in die Hauptstadt, sobald er seine Sachen von der Baustelle zurückbekommen hätte; dannwürde er heim nach Foggia fahren, und wenn die Gesellschaft wolle, dann solle sie ihn ruhig verklagen. »Er sagte, die Jungfrau Maria habe ihm einmal das Leben gerettet, aber man könne nie wissen, ob sie es wieder tun würde. ›Ob sie es rechtzeitig noch einmal tun würde‹, war eigentlich der genaue Wortlaut.«
»Das ist der Mann, der mir gestern im Supermarkt den Einkaufswagen geschoben hat.« Agnes Aleke trug die Perücke und hatte – was sie nur bei besonderen Anlässen tat – den ganzen Tag für den Staatssekretär Augen-Make-up aufgelegt, nicht aus dem Wunsch, ihm zu gefallen, sondern weil sie in der entlegenen nordwestlichen Provinz einen gewissen Standard aufrechterhalten wollte.
»Hat er denn nicht begriffen, daß Sie Regierungseigentum sind?« Nyarenda war schnell.
Agnes stand da, die Hand in die Hüfte gestützt. »Ich kann Ihnen nur soviel verraten: Das war das erste Mal, daß ein Weißer angeboten hat, mir irgend etwas zu tragen.«
»Und die Schwarzen?« sagte Edna Tlume mit ihrer sanften Stimme.
»Ach
die
. Fang mir bloß nicht von denen an. Da erwartet man es ja nicht einmal.«
Während die Witzeleien weitergingen, konzentrierte sich Aleke in seiner halblaut geführten Unterhaltung mit Bray wieder auf die Dorfbewohner von Kasolo. Er hatte Nyarenda natürlich begleitet. »Sie wünschen sich dort einen Damm, hat man mir gesagt, aber mit ihm wollten sie nicht darüber sprechen. Ich fragte, weshalb, aber sie sagten, er sei ein Mso, weshalb sollte der bei der Regierung ein Wort dafür einlegen, daß für die Gala ein Damm gebaut wird? Verständlich, daß er darauf schaut, daß dort für die Leute Dämme gebaut werden, wo er herkommt.« Aleke zuckte die Achseln und lachte.
»Aber warum hat denn nicht
er
die Sache angesprochen?«
»Woher soll er denn wissen, was die wollen?«
Das war Alekes System, alles schön auf sich beruhen zu lassen. Wenn die Ordnung wiederhergestellt war und die Leute einwenig stolz darauf waren, einen wichtigen Vertreter der Regierung bewirtet und unterhalten zu haben, selbst wenn sie zu ihm persönlich kein Vertrauen hatten, weshalb sollte man dann ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Unzufriedenheit lenken? Nun, und wenn der Dammbau zwar besprochen, dann aber nicht durchgeführt wurde, dann wäre Aleke der Mann, der mit der Unzufriedenheit fertig zu werden hatte.
Auch das Township von Gala beruhigte sich wieder; Mr. Choonara erklärte sich damit einverstanden, daß die Gandhi-Schule wieder geöffnet und dem Zentrum zur Verfügung gestellt werden sollte. Bei der Eisenerzmine gab es weiterhin Ärger dieser oder jener Art. Die Phosphatminen in der östlichen Provinz drohten mit wilden Streiks. Einer brach unter den Arbeitern und Fahrern der Reparaturwerkstätte der Transportfirma aus, die Post und Zeitungen nach Gala brachte. Eine Woche lang war Gala ohne Zeitungen, und die Briefpost kam mit großer Verspätung. Trotz (oder
Weitere Kostenlose Bücher