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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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sie da schon weg und an ihren Arbeitsplätzen sein sollen. – Leute, die nichts mit der Fischmehlfabrik oder den Ziegelwerken zu tun haben. Einer behauptete, er habe sich den Tag freigenommen, weil seine Frau und seine Mutter nicht alleine zu Hause bleiben wollten. Die Frau eines anderen ließ ihn nicht weg, weil sie Angst hatte, er würde in der Stadt in Streitereien hineingezogen werden. Und so fort. Es ist lächerlich. Josh hielt ihm einen Vortrag, der alles enthielt, angefangen davon, wie man seine Frau in die Schranken weist, bis hin zu seinerVerantwortung für das Wohlergehen der berühmten Stadt Gala. Es stellte sich heraus, daß er im Schlachthof die Tiere ausweidet.«
    Aber im Arbeiterheim, dem großen, neuerrichteten Block auf dem Hügel, der ehedem das weiße Gala vom Stadtteil der Eingeborenen getrennt und diesen außer Sichtweite gehalten hatte, gab es mehr als nur Aufregung. »Wenn diese Jugendlichen Arbeitslose sind, die sich den Jungpionieren anschließen, wieso leben sie dann da?« fragte Bray. Das Arbeiterheim sollte eigentlich unverheirateten Männern, die in der Industrie und in Projekten der öffentlichen Hand tätig waren, Unterkunft bieten.
    »Genau das hab ich auch zum alten Ntshali gesagt. Es ist eine städtische Einrichtung. Dieses Heim ist voll mit Leuten, die kein Recht darauf haben, dort zu sein – sie haben keine Jobs, sie ziehen einfach ein und teilen dann mit ihren Verwandten, die in der Stadt arbeiten, die Zimmer.«
    »Dann sollte die PIP sich von ihnen distanzieren.«
    »Die PIP distanziert sich nicht von unseren Leuten«, sagte Aleke.
    »Mein lieber Aleke, die PIP kann und tut es – was ist zum Beispiel mit den Arbeitern in der Erzmine, die sich gegen die Gewerkschaft gestellt haben?«
    Aleke gab es lächelnd zu und enthielt sich jeglichen Urteils. »Dieses Heim war sowieso ein schlechter Einfall, ganz egal, von wem er stammt.«
    »Natürlich. Erinnert zu sehr an ein Arbeitslager. Das haben Leute geplant, die sich noch immer zu sehr von der Vorstellung von Wanderarbeitern leiten ließen.« Und für Rebecca fügte er hinzu: »Die letzte weiße Stadtverwaltung vor der Unabhängigkeit; es ist ihr Kind.«
    »Stimmt vermutlich«, sagte Aleke. »Was soll man unternehmen, damit alle darüber unterrichtet werden, daß ab heute nächtliches Ausgehverbot besteht – in einem Ort, wo’s keine Zeitung gibt? Selufu besteht darauf, daß wir für ein oder zwei Tage ein Ausgehverbot verhängen.«
    Rebecca sagte: »Das Radio?«
    »Hm, nein … ich weiß nicht.« Beide, Aleke und Bray, kannten die Einwände dagegen; man wollte nicht im ganzen Land den – kaum realistischen – Eindruck verbreiten, in Gala herrsche der Notstand.
    Er sah Aleke an. »Es wird allerdings wahrscheinlich in den Nachrichten sein – Ausgehverbot verhängt, und so weiter.« Aber das war etwas anderes, als wenn man über das Radio an das Volk der Gala den ausdrücklichen Befehl richtete, eine Warnung, die alle anderen hören würden.
    »Selufu möchte einen Lautsprecherwagen herumfahren lassen.«
    »Das ist zweifellos das beste.«
    »Aber er hat keinen Polizeiwagen übrig – die sind alle im Busch und oben bei der Eisenbahn.«
    »Was werden Sie tun?« sagte Rebecca. Sie kam herüber und stellte sich neben Bray. Sie blickten hinauf auf den gepflegten Garten des
boma
(Hibiskus war anstelle des Christusdorns gepflanzt worden, der sich in die Zehe eines der Kinder Alekes gebohrt hatte) und hinab den Hang, auf dem die Stadt erbaut war, die der Kumulus aus Immergrün halb verdeckte, bis dorthin, wo der Markt mit seinen gemüsefarbenen Flecken lag, ein kopflastiger, verblassender gelber Bus mit Leinenplanen anstelle von Türen auf dem offenen Gelände der Busremise wartete, und zum Garten des Warenhauses von Parbhoo mit seiner Fünf-Rosen-Werbung auf dem Dach und der ansehnlichen Reihe hockender Frauen und Kinder vor der Klinik – all das lag vor ihnen. Die üblichen Fahrräder und Fußgänger bewegten sich auf der Straße; die Fahrräder holperten das Stückchen hinunter, wo die fünfhundert Meter Asphalt, die vor dem
boma
verlegt worden waren, in eine von Fahrrinnen durchzogene Senke übergingen und im Lehm endeten. Er hatte das Gefühl – parenthetisch, präzise –, daß sie beide plötzlich gleichzeitig an den See dachten. Der See mit seinem sich aufwölbenden Horizont, über den schwarze Einbäume zu einem herabglitten. Der See, still wie der bleiernheiße Himmel.
    Aleke sagte: »Mir den von der PIP ausborgen,

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