Der Ehrengast
mehr wiedergesehen – bloß den einen Nachmittag, hat er gesagt, damit er sich die großen Männer anschauen kann, die er aus den Zeitungen kennt – nun, was soll man da schon sagen?«
»Wir dachten, schließlich und endlich ist das sein Tag.« Das Lächeln, das die Frau in der Dunkelheit aufsetzte, war angenehm.
Bray fragte: »Wie in aller Welt haben Sie denn das geschafft?«
Sie machte eine Handbewegung und lachte, aber ihr Mann platzte dazwischen – die Hände über dem Teller, den er auf seinen Knien balancierte –: »Hundertzweiundzwanzig zum Dinner! So sah’s am Donnerstag aus. Und gestern …«
»Bloß hundertneun, das war alles …« Sie lachten.
»Und mein Hilfskoch? Man darf nicht vergessen, daß ich einen Küchengehilfen habe«, sagte sie. Wentz stellte sein Glas neben seinem Stuhl ab, um seine gesamte Aufmerksamkeit demzu widmen, was er nun sagen wollte. »Ihr Hilfskoch. Ich hab ihn vom neuen Arbeitsamt bekommen – ich dachte, gut, versuchen wir’s mal, also haben sie ihn vorbeigeschickt, fünfjährige Erfahrung, alles bestens.«
Seine Frau hörte ihm zu, lachte leise, ließ sich für einen Augenblick majestätisch in ihren Stuhl zurücksinken. »Bestens.«
»Fünfjährige Erfahrung, aber wissen Sie, als was? – Sie kennen doch die Bartstutzer unter den Mangobäumen, kurz bevor man ins indische Geschäftsviertel kommt?«
»Ich finde, am treffendsten war der Kommentar unseres Sohnes. ›Mutter, wenn Barnabas doch bloß für einen Metzger gearbeitet und gelernt hätte, wie man Fleisch schneidet anstatt Haare.‹«
»Also, ein Prosit auf drei Verrückte«, sagte Wentz und griff begeistert nach seinem Glas. »Jeder weiß, daß man verrückt sein muß, um freiwillig in eines dieser Länder zu gehen.«
»Colonel Bray wird ja kein Hotel führen.« Sie hatte eine sanfte, trockene Stimme, und ihr Akzent war weicher als der ihres Mannes.
»Ich bin nicht so tapfer wie Sie.«
»Ach, wie wollen Sie das wissen?« sagte Wentz. »Wir wußten auch nicht, wo wir schließlich landen würden.«
Leise sagte sie: »Das hätten wir uns jedenfalls bestimmt nicht träumen lassen, daß uns einmal das Silver Rhino gehören würde.«
»Egal – das ist eine andere Geschichte. – Ich hab gehört, Sie gehen ins Unterrichtsministerium?« sagte Wentz.
»So, haben Sie das?« lachte Bray. »Nun, vielleicht tu ich’s dann tatsächlich. Ich könnte mir vorstellen, daß man in der Bar des Silver Rhino ebensogut erfahren kann, was wirklich los ist, wie sonstwo.«
»Wenn Sie hören möchten, wieviel Häßliches es gibt – ja.«
Mrs. Wentz redete im Tonfall eines Menschen, der sich an niemand anderen wendet, sondern ausschließlich an sich selber. »Wie sehr manche Leute noch immer mit dem Blut denken undihre Verachtung anderer Rassen genießen … ja, die Bar im Silver Rhino.«
»Unser Sohn Stephen paßt heute auf. Man staunt, wie er mit diesen Burschen umgeht – besser als ich, kann ich Ihnen sagen. Er hat sie an der Kandare.«
»Wir haben ihm eine liberale Erziehung versprochen, als wir aus Südafrika wegzogen, verstehen Sie.« Mrs. Wentz hatte ihr Essen abgestellt und ließ sich aus dem Lichtkreis des Feuers in ihrem Stuhl zurücksinken, ein großes, im Dunkel schimmerndes Gesicht mit Höhlen, da wo die Augen lagen.
»Er besucht gerade die Abschlußklasse an der Lugard High School«, sagte Wentz unschuldig. »Willst du nicht aufessen?« Der weiße Fleck ihrer Hand machte eine abwehrende Bewegung. »Iß du’s, Hjalmar.«
Es regnete, und da es die Leute auf der Veranda fröstelte, strömten sie ins Haus. Eine Gruppe stand, lautstark diskutierend, um die leere Feuerstelle, wo sich die Bierflaschen auftürmten.
»… immerhin mit einem
panga
an die Tür des Gouverneurs geschlagen, als die anderen noch kleine schwarze Rotznasen waren …« Nun hatte Dando die mißlaunige Aufmerksamkeit eines jungen Patrioten aus dem Sozialministerium gewonnen, die augenfunkelnde Gleichgültigkeit von Doris Manyema, einer der drei oder vier Frauen des Landes, die einen Hochschulabschluß hatten, und die beiläufig-amüsierte Hochachtung eines Flüchtlings aus Südafrika, der sich mit seiner gelblichbraunen Hautfarbe, der kleinen Nase und dem feingeschnittenen Mund vom Schwarz der beiden anderen abhob. Bei Licht war Margot Wentz’ Kopf die Galionsfigur über dem Schiff ihres Körpers: eine gutaussehende dunkelblonde Frau mit Doppelkinn, einer kurzen, hohen Nase unter der gewölbten Stirn und wasserfarbenen Augen, unter denen
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