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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Staatsstreichen zur Hand sein. Wer kann das schon voraussagen? – Sie wird alt werden und heimgehen, um Maniok anzubauen. Wir werden das nicht mehr erleben.«
    »Aber Sie meinen immer noch, daß die Dinge nicht so schlecht laufen?« fragte Bray neugierig.
    »Nein, nein. Im großen und ganzen. Er hält sich ganz gut.«
    »Und seine Versprechungen?«
    Hjalmar setzte das treuherzige Gesicht einer alten Frau auf, die einem etwas anvertrauen möchte. »Er hat zu viele gemacht. Wie alle anderen. Aber wenn sie ihm Zeit lassen. Wenn sie ihnnicht von allen Seiten in die Zange nehmen – die Briten, die Amerikaner, die OAU .«
    »Ich glaube, was die Jungpioniere machen, ist einfach eine Nebenerscheinung – ein Phänomen, das durch die Umstände bedingt ist. Sie sind da; haben nichts zu tun; und wie Sie ganz richtig bemerkt haben: ihr Randalieren hat eine bestimmte Funktion, denn es stellt bei einigen PIP -Organisationen so ungefähr die einzige aktive Anteilnahme an den Problemen des Staates dar. Aber lassen wir sie einen Augenblick beiseite – was ist denn bei den Betriebsstreiks in den Goldminen, bei den Auseinandersetzungen wegen der Überstunden in der Eisenerzmine, bei dieser Eisenbahnaffäre bei Kasolo passiert: Das alles sind Anzeichen dafür, daß die Arbeiter ihr Vertrauen in die Gewerkschaften verlieren. Sie haben nicht mehr das Gefühl, daß die Gewerkschaften noch in ihrem Namen sprechen. Angefangen von den kleinsten örtlichen Angelegenheiten bis hinauf zur föderativen Ebene werden sämtliche Entscheidungen, die sie unmittelbar angehen, über ihre Köpfe hinweg getroffen. Wenn der Generalsekretär nun durch den Präsidenten ernannt werden soll, dann wird der UTUC mehr oder weniger dem Arbeitsministerium eingegliedert. – Es ist einfach nicht gut, Burschen von der PIP herzuschaffen, die dann den Leuten, die gegen die ohne entsprechende Konsultationen getroffenen Gehaltsvereinbarungen und so weiter protestieren, die Köpfe blutig schlagen. Das eigentliche Problem ist die Spaltung innerhalb der Gewerkschaften.«
    »Aber ist das tatsächlich so? Der Präsident würde doch niemals eine faschistische Situation hier zulassen. Das kann mir keiner erzählen. Das würde er nie erlauben. Er mag keinen Totalitarismus, weder linker noch rechter Prägung, das ist in seinen Augen ein und dasselbe … Aber dieser Mann, Edward Shinza – Sie haben ihn gekannt? – die Leute behaupten, er stecke hinter dieser ganzen Sache.«
    Bray hatte vergessen, daß er derjenige war, der Fragen stellte. »Aber das ist eine Realität. Er hat das nicht erfunden. All diesePunkte werden beim Kongreß offen zur Sprache gebracht werden. Es wäre ein Jammer, wenn sie in einem bloßen Machtkampf untergingen.«
    Hjalmar Wentz räkelte sich wohlig in seinem Stuhl. »Aber ist es denn nicht so?« Sein Lächeln brachte nachdrücklich die gemeinsamen Erfahrungen ihrer Generation in Erinnerung. »Nun, es ist interessant dabeizusein – Sie sind ein Glückspilz. Geht das in diesem Kino? Zuerst hat es geheißen, sie wollten es vielleicht hier abhalten, wissen Sie …« – ein Anflug amüsierten Stolzes – »aber wir haben vermutlich so schon genug Probleme.«
    Emmanuelle, Ras Asahe und ein zerknitterter junger Weißer saßen in der Diele für Gäste des Hotels. Sie rief Bray nach, als er schon im Weggehen war; einen Drink lehnte er ab, blieb aber für einen Augenblick stehen, um sich mit ihnen zu unterhalten. Der Engländer machte den Eindruck, auf eine liebenswerte Art betäubt zu sein, wie einer, der wochenlang in seinen Kleidern und in Flugzeugen geschlafen hat. Er kam von einer der Wochenzeitungen oder war vielleicht Korrespondent einer Nachrichtenagentur (wieder dachte man, Bray wüßte es, allein aufgrund seines Namens) und war auf der üblichen Tour durch afrikanische Länder. Ras Asahe gab ihm gerade Tips, welche Leute er aufsuchen sollte; er hatte in seine Taschen einen Haufen Zettel gestopft, von denen er die verschiedensten Namen abzulesen versuchte, die ihm, von wieder anderen Namen, empfohlen worden waren: »Basil sagte, ich solle diesen Burschen unbedingt sehen, wie hieß er noch … Und kennen Sie jemanden namens … Anthony behauptet, der sei sehr interessant …« Zu Bray gewandt sagte er: »Ich bin mir sicher, irgendwer hat mir auch
Ihren
Namen genannt?«
    »O ja, Colonel Bray ist eine stadtbekannte Persönlichkeit«, sagte Ras Asahe.
    Emmanuelle schenkte Bray eines ihrer raren und überraschend schönen Lächeln. Sie deutete damit an,

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