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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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nicht an irgendeinem bestimmten Ort, sondern in einem Bahnhofswartesaal oder auf einem Flughafen. Aber über seine Schulter hinweg sagte Shinza zu Bray: »Ist der Alte in Ordnung?«
    Spät am Abend hatte er Dinner allein mit Mweta; die Gäste im Great Lakes, die sich nicht in den Bars versammelt hatten, ließen sich lange Zeit, bis sie aus dem Golden Perch Room abzogen. Wie immer bereitete es Mweta Kopfzerbrechen, ob die Wahl einer Cocktailparty für die Unterhaltung der Leute wohl das richtige gewesen war – »besonders für den Kongreß«.
    Der Kongreß verdiente also etwas Besseres. Und doch hatte er da in seiner Robe gesessen, dem Symbol dafür, daß sie an die Macht gekommen waren, und hatte sich selbst erlaubt, ihnen die Zustimmung für ein Manöver abzugewinnen, das seine Machtstellung noch verstärkte. Bray lächelte. »Cocktailparties und Demokratie gehören zusammen.«
    »Tatsächlich?«
    »In Diktaturen sind es Banketts.«
    Mweta grinste. »Möchtest du davon, James …« Auf dem Tisch stand eine Flasche Wein.
    »Nein, nein, du hast recht, ich hab schon genug gehabt.« Man servierte ihnen ohne große Zeremonie Steaks und Kartoffeln, und Mweta sagte zum Ober, er brauche nicht am Tisch zu warten. In den großen Speisesaal hatte man, seit Bray ihn zuletzt gesehen hatte, eine Klimaanlage eingebaut, und so war er kühl undluftlos. Ungeduldig öffnete Mweta die Fenster und ließ die dicke, warme Nacht wie ein Zeichen für die Vertrautheit zwischen ihnen ein. Er wußte, daß er mit der Ernennung des Generalsekretärs der Gewerkschaften in Brays Augen einen Fehler machte; er selbst sprach die Frage unverzüglich an, damit nicht der Eindruck entstünde, sie stehe zwischen ihnen; sie redeten miteinander, Brays Einstellung stillschweigend vorausgesetzt. Das gemütliche Klicken der Gabel auf dem Teller begleitete die Leere des Übereinkommens, unterschiedlicher Meinung zu sein. Mweta aß mit ungewohnter Gier und verschlang das Steak mit Bravour.
    »Natürlich läßt es sich nicht leugnen, daß die Gewerkschaften in vielen Ländern der Regierungspolitik untergeordnet sind. Aber dabei handelt es sich um Länder, deren wirtschaftliche Entwicklung nur langsam vorangeht und die beim Versuch, ihre unvorteilhafte Ausgangssituation zu überwinden, mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen haben … Gründe, die hier nicht gegeben sind.«
    Mit jedem Mundvoll nahm Mweta das, was er sagte, auf und nickte dazu – nicht in Zustimmung, sondern um zu zeigen, daß er zuhörte. »Ja, aber in den meisten fortschrittlichen afrikanischen Staaten müssen die Gewerkschaften aufpassen, daß sie sich nicht zu radikalen oppositionellen Bewegungen entwickeln, sobald ihre Stellung abgesichert ist – das ist eine ernsthafte Gefahr für den Erfolg der ökonomischen Entwicklungspolitik.«
    Bray war sich seines eigenen kalten Lächelns und seines Achselzuckens bewußt; er griff nun doch nach dem Wein. »Hängt davon ab, wo du die Grenze ziehst – was ist schon und was ist noch nicht Opposition? Es gibt einen Unterschied zwischen einer radikalen Behandlung von Problemen der Arbeiterschaft und einer radikalen Opposition gegen die Regierung. Das ist der Punkt, an dem sich die Dinge verwirren. Wenn sich eine Regierung für wirtschaftliche Prioritäten entscheidet – kann sie es sich da leisten, Schritte zu unternehmen, ohne die Mehrheit einer organisierten Arbeiterbewegung hinter sich zu haben?«
    Mweta lächelte, wie ein Mann lächelt, der sich einzeln mitEinwänden auseinandersetzt, auf die er vorbereitet ist. »Wir haben die Unterstützung.«
    »An dem, was in den letzten paar Monaten passiert ist, kann man das nicht ablesen.«
    Mweta glaubte nicht, daß es das war, was er meinte. Er antwortete auf Worte, die er Bray in den Mund gelegt hatte: »Diese Sache heute, das war ein perfektes Beispiel – ein Versuch, die Gewerkschaften in die Rolle einer politischen Opposition zu drängen. Na, wie du selbst gesehen hast, es ging daneben. Das beantwortet die Frage, ob wir die Unterstützung haben oder nicht.«
    Trocken, freundlich sagte er: »Edward hat es nicht geschafft. Du hast gewonnen.«
    Mweta zeigte keine Unruhe. Er sagte nicht mehr: Vertrau mir. Er fand es nicht mehr dringlich, sich zu erklären. »Du meinst also, es ist eine Sache zwischen Shinza und mir – um den wirtschaftlichen Wohlstand geht’s gar nicht.« Es war halb witzelnd gesagt – in seinem neuen Selbstvertrauen.
    »Ich glaub, daß du das so siehst.«
    »Opposition –

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