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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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zeichnet das Gesetz für den Aufbau einer massiven Polizeistreitmacht ab, damit diese dann alle schön im Zaum hält. Und all das bedeutet unproduktiveStaatsausgaben, ja? Da können sich die Gewerkschaften dann dazu gratulieren, daß sie zur Konsolidierung der politischen Macht der Elite beigetragen haben. – Aber es gibt einen anderen Weg.«
    Dando begann, den Kopf zu schütteln, während Shinza redete. »Auf der Linie: Verteidigung-der-Interessen-der-Arbeiterschaft. Versuchen Sie’s doch bitte mit einer anderen. Führt unausweichlich zur Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums. Alle Ihre Vorstellungen von den auf der produktiven Rolle der Arbeiterschaft basierenden Aktivitäten erzielen nur einen sehr begrenzten Effekt. Entweder Sie kriegen die Arbeiter dazu, daß sie sich zusammenreißen und den Mund halten …«
    Shinza hob den Arm und winkte ab. »Genau das habt doch ihr versucht, das habt doch ihr versucht!«
    »Oh, niemand bestreitet, daß es noch und noch Zweifel an der Fähigkeit der Gewerkschaften gibt, ihre Politik in die Praxis umzusetzen. Das wissen wir«, Bray, ebenfalls unter dem Einfluß von Dandos Whisky, fand sich selbst plötzlich in den Streit hineingezogen. »Bis heute zwang ihn die Metamorphose vom Gewerkschaftsführer zum politischen Führer zu Kompromissen … das ist hier eine der prinzipiellen Ursachen für die Schwäche. Aber die fundamentale Schwäche ist eine Mischung aus beidem – industrielle Unterentwicklung plus der politischen Verantwortung, die Gewerkschafter auf sich nehmen mußten.«
    »Oh, du lieber Himmel. Das einzige Problem ist, ob man die politische Verantwortung ernst nimmt …«
    Shinzas Hände gingen auseinander, so als drückte ein unsichtbares Gewicht auf sie. »Keine Gefängnisse mit Gittern davor«, sagte Dando. Nun ging Bray auf ihn los: »Du würdest doch auch zugeben, daß ein gewichtiges Wort beim Entwurf eines Plans zur Entwicklung der Wirtschaft eine der Grundsatzforderungen der meisten afrikanischen Gewerkschaften darstellt, Roly?«
    »Hört euch das an: Forderungen, Forderungen …« Dando fing an Theater zu spielen, wobei er sich hilfesuchend an seine Zuhörer wandte.
    Aber für sie war Bray ebenso Teil des Theaters wie er. »… es ist die einzige Möglichkeit, den Widerspruch zwischen den Forderungen, die auf kurzfristige Ergebnisse abzielen, und jenen Maßnahmen zu überwinden, die man ergreifen muß, wenn man wirklich ernsthaft Entwicklungspolitik machen möchte. Natürlich sind die Schwierigkeiten riesengroß … und riskant ist es auch …« Immer wieder verlor Dando für kurze Augenblicke den Faden, und was er dann sagte, war irgendeine verschwommene Antwort, die durch den Alkoholnebel in seinem Kopf zuckte. »Riskierst dein Leben jedesmal, wenn du die Straße überquerst, Freundchen.«
    »… weil die Positionen von Gewerkschaften und Regierung absolut unvereinbar werden könnten.«
    »Ha-ha, ha-ha-ha.« Dando lachte nicht; er machte Schattenboxen über dem Tresen. »Vorsicht beim Auftreten, Bray, du gehst auf Eiern, weißt du.« Seine Aufmerksamkeit schnappte zurück, angezogen von Shinza. »Sie kriegen einen Großteil Ihrer Gewerkschaftsmitglieder aus dem öffentlichen Dienst – von den Minen einmal abgesehen. Wenn Sie anfangen, gegen die energisch durchzugreifen, dann werden Sie Abstriche machen müssen.
    Wie wollen Sie diese Leute denn dazu bringen zuzustimmen, ohne Hunderte von Mitgliedern zu verlieren?«
    »Ihre paar hundert verdammten Bürokraten sind mir schnuppe, wenn wir dafür Tausende von Landarbeitern gewinnen können. Das können Sie vergessen, Mann –«
    Zwei oder drei Leute hatten angefangen, PIP -Lieder anzustimmen, anfangs nur bruchstückhaft, schließlich aber – in der Unfähigkeit von Schwarzen, falsch zu singen, selbst wenn sie betrunken sind – bei voller Lautstärke harmonisch. Roly hatte jetzt Trotzhaltung bezogen, ohne zu wissen, wogegen; er sah sehr klein und weiß aus, sein dünnes, eingeöltes Haar stand spärlich vom Kopf ab, und durch seine Brillen nahm er dieses oder jenes Zielobjekt ins Visier. »Besser als eure ganze verdammte Mischpoke, das kann ich euch sagen. Hat mehr Mumm in den Knochen, als ihr in eurem ganzen Leben begegnen werdet … Ich trau ihm nichtbis zur Tür hin, dem alten Schweinehund … aber ihr, naß hinter den Ohren, allesamt, wie ihr da seid, ihr werdet nie mehr auf einen Burschen treffen wie ihn,
ihr
könnt mir nichts erzählen –«
    Bray überkam ein altes Gefühl der Zuneigung für

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