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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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den armen Dando, der sich nie auf die Würde seines Amtes kaprizierte, sondern sich immer vorbehielt, den Tribut für seine Sympathiebezeugungen selbst zu entrichten, egal, wie derangiert und lächerlich er dabei aussah. Einen Mann wie ihn würde nur ein afrikanischer Staat einstellen; überall sonst würde man seine professionellen Fähigkeiten zugunsten professionellen Auftretens opfern.
    Ras Asahe sprach gerade von den Streiks in den Minen, und Bray hörte nur mit halbem Ohr zu – »kein solcher Schwächling, daß er jetzt, wo die Gesellschaft sie mit dem Schießeisen in Schach hält, die Produktion einstellen würde«. Die Wortwahl stak wie ein Pfeil: »Schießeisen?«
    »Ja, jetzt brauchen sie nicht mehr bloß herumzustehen und auf ihren Fingernägeln zu beißen, wenn die Jungs Mätzchen machen. Ich hab’s unlängst selbst miterlebt, ganz husch-husch – aber alles da, Mann! Eine nette kleine Flotte von Fords, die man zu Panzerfahrzeugen umgebaut hat …«
    »Die Werkspolizei der Gesellschaft hat Waffen?«
    »Nun, was glauben Sie denn? Daß sie bloß herumstehen und auf die Marsmenschen warten« (das war der Name, den man der regulären Polizei wegen ihrer Helme gegeben hatte), »oder darauf vielleicht, daß der Präsident darüber befindet, ob es nicht Zeit ist, die Armee zu Hilfe zu rufen, oder vielleicht doch lieber nicht? Offenbar ist die Gesellschaft an ihn herangetreten und hat gesagt, schauen Sie, wenn
Sie’s
nicht schaffen, dann müssen Sie das uns überlassen … Und er hat grünes Licht gegeben.«
    »Die haben Schußwaffen?«
    Ras spreizte seine eleganten Hände. »Die gesamte Überfallkommando-Ausstattung. Tränengas, Schußwaffen – Helikopter, die im Zweifelsfall rasch ein Dutzend Männer dorthin bringen können, wo’s brennt. Überall, wo’s Probleme gibt, wird das höchst nutzbringend sein … auch dann, wenn es nicht die Minensein sollten … Big Man weiß, daß sie zur Stelle sind, wenn er sie braucht.«
    Gleichzeitig gab es irgendeine Aufregung in dem Knäuel, das sich rund um Dando und Shinza gebildet hatte. Alles, was Bray sah, war, daß Dando seinen Arm um Shinzas Schultern legen wollte – in einer großen Geste, einem Ausfall, und daß Shinza ihr – deutlich sichtbar – ruhig und flink auswich, so etwa, wie einem eine Katze unter der Hand entschlüpft. Shinza blickte Dando nicht an, er stand ihm abgewandt und unterhielt sich im Augenblick mit jemand anderem; zwischen zwei Augenblicken mußte er sich des ausholenden Armes bewußt geworden sein. Aber Dando hatte sich schon zu weit aus dem Barhocker gelehnt, war unsicher, und die Bewegung brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er fiel hin; die Leute eilten hastig herbei, halfen ihm verwirrt wieder auf die Beine – eine Verwirrung, die sich immer gleicht, egal, ob sie nun für Feindseligkeit oder für Besorgnis steht.
    Asahe sagte angewidert: »Dieser alte Mann ist das beste Argument für die Afrikanisierung, das ich kenne. Die zwei da sollten sich gegenseitig erledigen; der Laden hier muß mal auf Vordermann gebracht werden.«
    »Du bist ja ein ganz harter Junge, Ras. Vielleicht solltest du ein bißchen Tränengas holen lassen.«
    Asahe aber schmeichelte es, daß man ihn für hart hielt; Bray war bewußt, daß da ein Mann ihn belächelte, der der Meinung war, er könne sich das leisten. Er ging rasch zu Roly Dando hinüber. Dando war wieder auf den Beinen, irgendwie ziemlich nüchtern. »Wollen wir heimfahren?«
    »Ich bin kein Baby, Bray. Und außerdem: Bist du nicht mit Mweta zum Abendessen verabredet?« Er sah aus wie ein Vogel, den man unverletzt aus den Fängen eines Hundes geborgen hatte.
    »Zeit genug, vorher noch nach Hause zu fahren.«
    »Um Himmels willen, nein, ich hab eine Verabredung …« Er ging mit zwei jungen Männern weg, die ihn abgeklopft hatten, der eine ein lustiger, kurzsteißiger, kleiner Mso – eine untersetzteRasse; da war in irgendeiner vergessenen Völkerwanderung Batwa-Blut aus dem Kongo heruntergesickert –, der andere ein redseliger, gebeugter Mann, der zusätzlich zur Parteikrawatte diverse Ehrenzeichen aus kolonialen Zeiten trug, Anstecknadeln der Pfadfinder und des Roten Kreuzes.
    Er ließ laute Stimmen und übertriebene Gesten zurück; die Verwirrung hatte private Antipathien und nachträgliche Spannungen dessen, was während des Tages im Kongreß behandelt worden war, freigesetzt. Shinza war nun fest von seinen Leuten umringt; rund um einen kleinen Tisch tranken Nwanga, Goma, Ogoto, als wären sie

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