Der Ehrengast
während der Schulferien sehen und werden ihren Spaß dabei haben, ohne daß es lange genug dauert, um allzuviel Schaden anzurichten. Rebecca sollte sich ihretwegen keine Sorgen machen. Sie hat ihren Laden verdammt gut geschaukelt. Ich sollte meine Kleinen wirklich für eine Weile zu meiner Mutter oder sonstwohin schicken; ich bin schon zu lange ständig um sie herum. Aber Neil ist aus irgendeinem Grund dagegen.« Er wußte, daß sie das selbst nicht glaubte; sie wollte Rebeccas Situation in dieser Gesellschaft als alltäglich hinstellen. Aber ihr Mann sagte großspurig: »Ich bin
hier
, Mädel, und ich bau nicht für Vorster oder Caetano in Cabora Bassa irgendeinen gottverfluchten Damm.«
Emmanuelle und Ras Asahe platzten mit ein paar seiner Satelliten herein. Der eine war Dozent an der Universität, ein junger Schwarzer, der sich über Neil, seinen Verwaltungsdirektor,amüsierte und zwischen seinen makellosen Zähnen eine rosa Zungenspitze festhielt, als dieser die Universitätsleitung auf einer kürzlichen Konferenz nachahmte und ihn so am Privileg der Verulkung ihrer Institution teilhaben ließ. Die Versammlung veränderte ihren Charakter, die Zahl der Drinks stieg an, die Unterhaltung wurde zusammenhangloser. Die besprochenen Themen wurden fallengelassen; entweder war ein Stimmungswechsel daran schuld oder die Tatsache, daß es für weiß und schwarz einfach nicht möglich war, diese Dinge noch einmal generell zu besprechen, ohne daß der Eindruck entstand, den Schwarzen sollten geheime Loyalitäten und Allianzen entlockt werden, die für sie vielleicht gefährlich werden konnten. Das war schon einmal so gewesen; vor der Unabhängigkeit, als am anderen Ende der Offenheit die Indiskretion gewartet hatte und mit ihr die gastfreundliche Unterbringung in den Zwangslagern und Gefängnissen des Gouverneurs. Die Entspannung, die in der Zwischenzeit eingetreten war, eine Entspannung, die ein paar Monate gedauert hatte, war das Produkt einer Periode, in der die Europäer keine eigene Machtposition mehr innehatten, noch auch Zeugen von Situationen geworden waren, in denen die Schwarzen voreinander etwas zu befürchten hatten. Eine Welle der Gereiztheit gegen die Hauptstadt erfaßte ihn. Während er trank und sich an der allgemeinen Stimmung, »schön, wieder zusammenzusein«, beteiligte, wünschte er sich fort, allein im Auto durch die Nacht nach Hause fahrend, nach Gala.
Bevor er aufbrach, rief er Rebecca im
boma
an und sagte ihr, sie solle ihm einen Brief schicken, in dem sie ihn ermächtigte, für sie zu handeln. Ihre Stimme am anderen Ende der schlechten Verbindung klang gedemütigt, wie es bei Menschen oft der Fall ist, wenn sie sich plötzlich mit etwas Dringendem konfrontiert sehen. Er bereitete sich darauf vor, ein paar Tage lang in Rolys Haus herumwarten zu müssen. Sie aber mußte es irgendwie arrangiert haben, daß der Brief per Kurier auf dem Luftweg mit der Regierungspost kam – er hoffte, sie hatte den Inhalt nicht mit Aleke besprochen –, denn er wurde ihm sehr prompt durcheinen Regierungsboten in Rolys Haus zugestellt. Wie einen Nachgedanken um den formellen Brief mit dem von ihm diktierten Wortlaut geschlagen, fand er einen halben Bogen grünes Kopierpapier mit einigen albernen Zärtlichkeiten; Ausrufungszeichen. Sie war unbeholfen beim Briefeschreiben; die Dinge, die sie ihm schrieb, erinnerten ihn an die Briefe, die er von seinen Töchtern aus der Schule bekommen hatte. Er verbrannte den halben Bogen sorgfältig und lächelte beim Gedanken daran, daß das andere Dokument zu der Art gehörte, die man am besten ebenfalls verbrannte.
Aber er ging damit zur Bank und hob das Geld aus dem Verkauf des Hauses ab, das Rebeccas Eltern für sie gebaut hatten, als sie Gordon heiratete, den Mann, ohne den alle anderen viel zufriedener waren. Die Hälfte der Summe hätte der Höhe des Maximalbetrages entsprochen, der laut Devisenausfuhrbestimmungen außer Landes gebracht werden durfte, und auch das nur von Personen, die es für immer verließen. Bei Unterhaltungen am Frühstückstisch, die sich um die Konvertierung von Devisen drehten, ließ sich Roly mühelos dazu bringen, sich über die Beamten auszulassen, die unfähig schienen, dem illegalen Geldstrom ins Ausland einen Riegel vorzuschieben. Er sagte, man wisse sehr gut, wie diese Dinge abliefen; es gäbe da ein paar Leute – einen weißen Südafrikaner und ein paar Kongolesen –, die in der Hauptstadt einen Agenten hätten und das Geld einfach so nach
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