Der Ehrengast
– und jetzt sieht er zu, wieviel Fleisch er vor ihnen retten kann.«
Unwillkürlich begann er zu sprechen, zu Dando, zu ihnen allen, sah ihnen ins Gesicht, einem nach dem anderen. »Weshalb sind wir denn so sicher, daß eine Gruppe von Schnäbeln um so viel gefährlicher ist als eine andere? – Wegen der Gefängnisse, der Arbeitslager, der Tausenden von Toten, die in der Sowjetunion im Lauf der Jahre zusammengekommen sind; weil der Große Sprung nach vorne in China vom Bürgerkrieg überholt wurde; wegen Ungarn, wegen der Tschechoslowakei, Polen – ja, ich weiß. Aber wir sind Menschen, die auch wissen, was im Westen falsch läuft – die so lange scheinheilig von ihm praktizierte Sklaverei, die Verachtung, die er gegenüber den Menschen, die er ausbeutete, an den Tag gelegt hat – und die er immer noch an den Tag legt, unten im Süden, hier, auf diesem Kontinent. Das Spiegelbild seiner selbst, das er in den privilegierten Vorstädten, in denen jetzt die Schwarzen seine Stelle einnehmen, aufgestellt hat … Die Kriege, die er im Namen der ›freien Welt‹ führt … Wenn konstruktive Neutralität das Ideal ist, die Dritte Welt aber auf das reduziert ist, was Roly die Kunst nennt, zwischen zwei Geier-Gruppen zu leben, woher nehmen wir dann die Sicherheit, es wäre wahrscheinlich doch nicht lohnend, zu überprüfen, wieviel Fleisch man in einer Verbindung mit dem Osten heil über die Runden bringt. Weshalb? Weil wir zum Westen ›gehören‹? Weil wir, dank der Permissivität des Westens, unsere Meinungen ausdrücken und – behalten dürfen? … und aufgrund dieser Permissivität an ihn gebunden bleiben? Roly – ich selbst – ich glaube nicht, daß ersagen würde, er hätte je etwas anderes geglaubt – würdest du mir darin zustimmen, daß wir immer, wie Sartre mal gesagt hat, akzeptiert haben, daß der Sozialismus die Bewegung des Menschen ist, der einen Prozeß der Neuerschaffung durchläuft? – Glauben wir daran oder nicht? – Wie auch immer die Fieberanfälle auf dem Wege dieses Experiments aussehen mögen – ob es sich nun um Robespierre oder Stalin oder Mao Tse-tung oder Castro handelt –, es ist der einzig gangbare Weg, und das insofern, als alle anderen Wege einen Weg zurück bedeuten. Was wollt ihr hier sehen? Ein zweites China? Ein zweites Amerika? Wenn wir zulassen müssen, daß das Schema mit größter Wahrscheinlichkeit auf entweder dem einen oder dem anderen basieren wird, wofür sollen wir uns dann entscheiden?«
»Wollen Sie damit sagen, Sozialismus sei ein Absolutum?« Neil hatte eine große Vorliebe für kraftvolle Überzeugungen – als Form der Unterhaltung. Er zog die Diskussion sofort an sich. »Der Maßstab, den man an jede politische Aktion anlegt und aufgrund dessen man sie zu beurteilen hat?«
»Ja! Muß er sein, wenn wir – Leute wie Roly und ich – an das glauben, was wir unser Leben lang vertreten haben – er als Anwalt, ich als Staatsbeamter. Ja! Was denn sonst?«
»Ich bin allerdings immer noch Anwalt, während du kein Beamter mehr bist«, sagte Dando und sah ihn an. Ihre Blicke trafen sich; und dann wandte er sich unter Dandos Blick, dem Blick eines Mannes, der dasteht und zusieht, wie sich ein anderer aus dem Gesichtskreis entfernt, ab.
Das Gespräch drehte sich nun wieder um Tola Tola, den Außenminister. »Aber was ist mit den Mso«, beharrte Hjalmar.
»Neil – wie will Mweta ihn rauskriegen, ohne sich dadurch Schwierigkeiten einzuhandeln?«
Wie ein Zirkusdirektor stand Neil Bayley inmitten seiner sitzenden Gäste und fuhr mit seiner Hand hinauf durch die helle Aureole von Bart und Haaren. »Ah, da haben wir den Vorteil dieser sonderbaren Abstammung von Tola Tola – nominell ist er zwar ein Mso, aber es sieht so aus, als komme er in Wahrheitaus dem Kongo … irgendwer hat das ausgegraben. Der Name ist eindeutig nicht Mso … was, James? Tola Tola?«
»Wahrscheinlich nicht; die haben keine Wiederholung von Zweisilbern …«
»Also bestehen da, obwohl er einen Mso-Sitz hat« – er schwenkte seine Hand, die Finger steif auseinandergefächert, nach rechts und links – »Unklarheiten in dieser Frage. Mweta müßte allerdings einen Mso an seine Stelle setzen, das ist der Haken. Die Mso hätten offenbar Msomane gern. Oder richtiger, Msomane würde gern mit Sicherheit wissen, daß er der Mann ist. Er ist verdammt erpicht darauf, das Arbeitsministerium loszuwerden, was einen kaum überrascht.«
Bray sagte: »Neil, glauben Sie, daß Msomane einer der Leute ist,
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