Der Ehrengast
ich mir Sorgen
– er übersprang die Zeilen, die er davor schon gelesen hatte –
daß es Dir jetzt in Wiltshire langweilig werden könnte. Und dabei ist das Haus jetzt so schön. Ich hänge immer mehr daran. Es kommt mir vor, als wäre es die einzige wirkliche Heimat, die ich jemals gehabt habe – Dargler’s End nicht ausgeschlossen
. – Ihr Vaterhaus. Olivia gehörte zu jenen Menschen, deren Kindheit so glücklich gewesen war, daß sie niemals in einen Zustand der Unsicherheit fallen können, was immer sie zu erleiden haben mögen.
»Also werfen Sie mich nicht raus?«
»Sie bleiben, Hjalmar.«
»Man kommt mit so etwas nicht einfach heraus – von heuteauf morgen«, sagte Wentz. »Das muß ihr schon seit Jahren im Kopf herumgegangen sein, nicht?«
Rebecca erschien auf der Bildfläche, ihr nasses Haar auf die gleiche Weise gekämmt wie an dem Tag, als sie zum ersten Mal zum Haus herübergekommen war, nur daß es jetzt lang war. Er erhob sich seltsam umständlich und förmlich, in der Hand den Brief seiner Frau, und zum ersten Mal berührte er Rebecca in Hjalmar Wentz’ Beisein, hob ihr nasses Haar und küßte sie auf die Wange. »Ich muß zu Malemba.« Sie setzte sich mit einer Näharbeit zu Hjalmar in die Sonne; es war ein Kleid für ihre kleine Tochter, und eine Sekunde lang lag es in ihrem Schoß da – unter ihren Augen und denen Brays, ganz so wie vorher der Brief.
Rebecca und Hjalmar winkten; er fuhr die Straße hinunter davon. Der älteste Junge Malembas füllte gerade die Risse, die im Boden der Veranda entstanden waren, mit Mörtel aus, und die jüngeren Kinder standen herum und warteten nur auf eine Gelegenheit, ihm ins Handwerk zu pfuschen. Sampson wartete immer noch auf das Haus, das man ihm bei seiner Ernennung zum Bildungsbeauftragten der Provinz versprochen hatte; Bray hatte oft gemeint, die Malembas sollten das Haus bewohnen, das ihm zur Verfügung gestellt worden war, aber Sampson, bei dem Höflichkeit prinzipiell vor Recht ging, wollte nichts davon hören. Sampson führte ihn in das kleine Wohnzimmer mit seinen eingerahmten Schulabgangszeugnissen und dem Kaffeetisch vor dem Sofa mit dem palettenförmigen Plastiküberzug. Er sagte: »Sampson, ich bin der Meinung, Sie sollten nachts immer eine Pistole bei sich haben. Etwas, womit Sie jeden abschrecken könnten.«
Malemba sagte: »Ist schon in Ordnung. Mein Vetter begleitet mich jetzt die ganze Zeit.«
»Ah, das freut mich aber. Glauben Sie, daß ihr auf euch aufpassen könnt?«
»Er ist ein Mann, der immer ein Messer bei sich trägt.« Sampson saß mit schwer zwischen den Knien baumelnden Händen da, so als verleugnete er im voraus, was sie anrichten mochten.
Leben füllte die Straßen des Township wie einen Markt am Samstagvormittag. Kinder, Fahrräder, gemütlich schlendernde Müßiggänger – der Wagen wurde zwischen alledem mehr dahingetragen, als daß er vorwärts kam. Bray kaufte eine Tüte aus Zeitungspapier mit Erdnüssen darin (für die Kinder der Tlumes; er und Rebecca waren zum Lunch bei ihnen eingeladen), und während er und der Händler die Transaktion abschlossen, schob sich ein Kopf durch das Wagenfenster an der anderen Seite – ein junger Mann, Tojo Wanje, der in Brays Abendkursen durch Aufmerksamkeit und Argumentierfreudigkeit aufgefallen war. Sie gingen in die King Cole Bar an der Ecke. Tojo trug durchsichtige, ausgetretene Plastiksandalen mit zerrissenen Riemen, eine azurblaue Sonnenbrille in der Form von Windschutzscheiben und benutzte eine zusammengefaltete Zeitung dazu, dem, was er sagte, Nachdruck zu verleihen. »Dieser Tola Tola, was will denn der? Was will denn der?« Er hatte eine Art zu lachen – Kopf hoch, Mund auf, überschäumend vor Lebensfreude. »Ich weiß es nicht – glauben Sie, daß es die Mso sind?« »Diese Zeitungen! Ich erfahre nichts daraus!« »Nein, aber – ich glaube, man gibt denen nicht viel Informationen. Oder man verbietet ihnen, das zu verwenden, was sie wissen.« »Warum muß ich dann aber Sixpence dafür hinlegen? Da kauf ich mir lieber ein Bier.« Bray brachte zwei weitere Flaschen, und der junge Mann, ein Vorarbeiter in den Ziegeleien, berichtete, daß es am Tag davor, dem Zahltag, zu Tätlichkeiten gekommen war. »Diese Leute, wir sagen Big Backs zu ihnen – die sind stark, wissen Sie, die müssen die ganze Zeit die Lastwagen mit Säcken beladen. Man hat erst diese Woche zwei neue Männer eingestellt, und wir warteten vor dem Lohnbüro, als die Big Backs einen Streit vom Zaun
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