Der Ehrengast
brachen – haben von den neuen Männern verlangt, daß sie ihre Ausweise herzeigen. Also zeigen sie ihre Gewerkschaftsausweise, aber Parteiausweise haben sie keine. Also wurden sie verdroschen. Ich weiß nicht. Ihr Geld war weg, sie lagen am Boden und kriegten Fußtritte ab. Daraufhin haben wir uns bei der Gewerkschaft beschwert – ich hab selbst dort gesagt, wer sind diese Bullen, dieseSchultern ohne Gehirn – oh, ich glaub, ich reiß in Zukunft mein Maul besser nicht so weit auf!« Und vergnügt brach er in brüllendes Gelächter aus. »Aber die ganze Zeit Streit, nichts als Streit. – Sie sind überhaupt nicht daran interessiert, die Produktion zu steigern«, fügte er hinzu, um zu beweisen, daß der Unterricht bei ihm nicht umsonst gewesen war.
Zuerst sah es so aus, als wollte man Tola Tola nicht sofort vor Gericht stellen; schließlich war er gemäß des Vorbeugehaftgesetzes in Gewahrsam, und theoretisch konnte er auf immer und ewig eingesperrt bleiben – zumindest aber bis das Gesetz nach Ablauf der Jahresfrist neu überprüft wurde, wie es Dando im Entwurf vorgesehen hatte. Der Streit um höhere Löhne im Bergbau war nicht beigelegt worden, und eine zweiwöchige »Abkühlfrist«, für die die Gewerkschaften von den Minenarbeitern irgendwie die Zustimmung bekommen hatten, wurde durch einen wilden Streik unterbrochen. Man glaubte, es handle sich um ein eintägiges Scheingefecht, am folgenden Tag aber kamen bestimmte Gruppen von Arbeitern nicht an ihre Arbeitsplätze zurück, und so schleppte er sich, noch kompliziert durch interne Diskussionen zwischen einerseits Bergarbeitergewerkschaften und Kumpeln und andererseits zwischen den Kumpeln untereinander, dahin. »Es rutscht auf die Ebene von Bandenkriegen runter«, stellte Bray eines Abends bei den Tlumes fest. »Eine Möglichkeit mehr für die Weißen unten im Süden, zu behaupten, die Schwarzen könnten einfach mit den Stammesfehden nicht fertig werden.«
»Richtig, aber das ist unser eigener Fehler«, sagte Nongwaye und runzelte vor Vernunft die Stirn. »Es sind
tatsächlich
die Gala und die Mso, die sich gegenseitig die Schädel einschlagen.«
»Sie gehen aufeinander los, weil sie frustriert sind, daß die Gewerkschaften die Kontrolle verloren haben. Die Gewerkschaften hängen zwischen Regierung und Kumpeln in der Luft. Beiden Seiten haben sie Versprechungen gemacht, die sie nicht einlösen können.«
»Und so lassen die idiotischen Gala ihre Wut an den Mso aus.«Nongwaye war selbst ein Gala, und er redete so, als handelte es sich um einen Familienfehler.
»Niemand versteht was, außer von Stammesfehden«, sagte Hjalmar. Er, Bray und das Mädchen waren einander so nahe gekommen, daß sie ihren nackten Arm halb komisch, halb tröstend um seine Schulter legen und diese drücken konnte. Und so schwächlich seine Bemerkung auch war, sie schien fast eine Selbstironie zu sein.
Wahrscheinlich wegen der Streiksituation zeigten Mweta und Justin Chekwe keinerlei Eile, einen politischen Prozeß einzuleiten. Wenn die Leute schon streitlustig waren, dann brachte ein politischer Prozeß bestimmt zusätzlichen Zündstoff, der von den verschiedenen Richtungen genutzt werden konnte. Ganz andersartige Beschwerden konnten durch solch einen Prozeß bestätigt werden, auch wenn sie mit ihm nichts zu tun hatten. Auf jeden Fall würde er die allgemeine Unzufriedenheit und Widerspenstigkeit anheizen. Aber der Streik wuchs und weitete sich auch so aus, wobei zwei Aspekte des Streiks auf jeden Fall in einem dritten zusammenwuchsen: Was immer die Bergarbeiter auch taten, statt zu arbeiten – ob sie nun streikten oder untereinander über den Streik stritten –, die Minen konnten ohne sie nicht arbeiten. Kaum später als von Shinza vorhergesagt, waren sämtliche Goldminen lahmgelegt, und ihnen folgten die Kohlengruben, die Eisenerz- und Bauxitminen. In den Goldminen nahe der Hauptstadt setzte die Konzernarmee Tränengas und Knüppel ein, um einen riesigen Zug von Bergarbeitern, die auf die Residenz des Präsidenten zusteuerten, zu zerstreuen. Das Minenkrankenhaus und die Spitäler der Hauptstadt waren voll von Leuten, die unter einer zeitweisen Erblindung durch Tränengas litten. Vivien Bayley schrieb: »… beim verdammten Albert Tola Tola können wir uns bedanken. Wir wissen, daß er seine kleine Pleite mit dem Schlachtruf angezettelt hat, Mweta sei nicht stark genug, um die Gewerkschaften und Shinza niederzuhalten. Jetzt läßt Mweta die Art von Muskeln spielen, die
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