Der Ehrengast
hingeworfener Körper von selbst für sie bereit; als sie hereinkam, sah sie es. Und so drang er wieder ein, in den wilden Genuß, der in ihr war, während die Fledermäuse auf dem Feigenbaum die Dunkelheit mit ihren nadelspitzen Schreien durchbohrten.
Irgendwann in der Nacht war er für ein paar Augenblicke hellwach. Warum war er mit Sampson zu Selufu gegangen? Er und Sampson führten beim Polizei-Commissioner Beschwerde; der Commissioner stellte einen Mann für die Gandhi-Halle ab. Eine Reihe reiner Formalakte; was sein muß, muß sein. Laut welchem Kodex? Und wenn Malemba nun tatsächlich umgebracht werden sollte? In einem Dutzend x-beliebiger Hinterhalte in der Umgebung des Township konnte er erstochen werden; vor seiner eigenen Gartentür …
Das war noch immer etwas, das sie einfach nicht glauben konnten
; wir – ich richte mein Verhalten immer noch nach einem eigenen Satz von Konventionen, die der Situation nicht mehr entsprechen. Gibt keine gefährlichere Art von Selbsttäuschung als diese. Selufu wird – kann – den Jungpionieren keinen bindenden Befehl geben. Dafür gibt es keinen Befehl. Ein Polizist vor der Gandhi-Halle, das war das perfekte Symbol für einen bedeutungslos gewordenen moralischen Rückhalt. Es gab nun keinen Ort auf der Erde mehr, wo
Satyagraha
– bereitsin Polarisierung zu Gewalttätigkeit, sobald man den Begriff mit Gewaltlosigkeit übersetzte – jene Basis einer Übereinkunft von Achtung vor dem menschlichen Leben vorfand, von der seine Effektivität abhing.
Wer kann Malemba schützen? Mweta, der in einer Kehrtwendung von Shinza abließ, weil er sich gegen Tola Tola verteidigen mußte, hatte nichts Besseres anzubieten als den Polizisten Selufus, der um die Gandhi-Halle seine Runde machte. Und Shinza besaß keine Macht, die Art von Sicherheit zu bieten, die er versprochen hatte – nachdem …
Malemba braucht eine Pistole, er muß nachts eine Pistole tragen.
Am Morgen war das Dringliche dieses Blitzes nächtlicher Ruhelosigkeit, der sein Gehirn zwischen Dunkelheit und Dunkelheit erhellt hatte, neben dem Tageslicht blaß geworden. Es war Samstag; Rebecca fuhr früh in die »Stadt«, um irgendwelche Einkäufe zu erledigen, und er trödelte unter dem Baum am Frühstückstisch, bis sie mit der Briefpost und den Zeitungen, derentwegen sie im
boma
vorbeigeschaut hatte, zurückkehrte – obwohl die Büros geschlossen waren, fand sich immer wer, der den Briefkasten leerte. Eine der Zeitungen aus Übersee brachte mehr über die Tola-Tola-Affäre als die lokalen Blätter zusammengenommen; sie lasen bei einer Kanne frischgekochten Kaffees, als Hjalmar – schlafwandlerisch wie jeden Morgen – auftauchte; offensichtlich nahm er starke Schlafpulver. Sie erwähnten ihm gegenüber nichts von Tola Tola; sollte er doch ruhig in diesem nachtwandlerischen Zustand, in dem er in streng abgezirkelten Schritten zwischen Küche und Frühstückstisch hin und her ging, herumtrödeln – vielleicht als eine Art unbewußten Zeichens dafür, wie peinlich es ihm war, daß er weiterhin dablieb, hatte er einen gewissen Widerwillen gegen das Bedientwerden entwickelt.
Bray war mit seinem Frühstück schon fertig; Rebecca leistete dem Gast Gesellschaft. Er hatte die ganze Nacht geträumt – »Deshalb bin ich heute früh auch so müde … ein Käfer lag auf seinem Rücken auf dem Boden und brummte die ganze Zeit.«
»Im Traum?« Weil Hjalmars Anwesenheit Rebecca störte, war sie ihm gegenüber immer ganz besonders aufmerksam.
»Nein … im Zimmer, auf dem Boden. Ich hörte ihn schon, als ich das Licht ausdrehte. Und jedesmal, wenn ich gerade eingeschlafen war, wachte ich wieder auf und merkte, daß er noch immer dort auf dem Rücken lag. Dauernd dachte ich, er liegt auf dem Rücken, er kommt nicht auf die Beine, ich muß ihn umdrehen. Armer Teufel …« Bray lächelte einen Augenblick lang über Zeitungsrand und Brillenrand hinweg, und so wandte er sich an ihn – »Und dann stand ich auf und drehte das Licht an und fand ihn und nahm den Pantoffel und schlug ihn tot.« Unverwandt starrte er zuerst Bray, dann das Mädchen an, so als erwartete er von ihnen eine Erklärung. Sie zögerten, Bray lachte nachsichtig, sie ebenfalls. »Essen Sie doch den Rest vom Rührei auf«, sagte sie. Sie lasen wieder, und Hjalmar nahm desinteressiert den Feuilletonteil einer englischen Zeitung auf.
Rebecca ging sich die Haare waschen, wobei sie mit ihrer Hand in einer jener rituellen Gesten durch diese hinauffuhr, die die
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