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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Fürsorge signalisieren, mit der Frauen ihren Körper pflegen.
    »Wilhelm Reich ist bei den Studenten wieder in Mode … Hier steht, daß seine Frau ein Buch über ihn geschrieben hat. Zu meiner Jugendzeit in Deutschland, da war er unser Prophet … aber während wir noch die sexuelle Revolution als einen Bruch mit dem Autoritarismus der vaterdominierten Familie diskutierten, küßten andere schon die Füße von Vater Hitler und Vater Stalin. – Was sollen unsere demokratischen Ideen, wenn wir wissen, daß der Wille der Mehrheit so oft selbstzerstörerisch gewesen ist …?«
    »Freilich tendiert man immer dazu, alles aus dem Gesichtswinkel jener Welt zu sehen, in der man gerade lebt … finde ich …«, sagte Bray. »Was hätte Reich denn wohl vom Autoritarismus dieses Kontinents gehalten – die sexuelle Basis, die seine Theorie für den Autoritarismus reklamiert, die fehlt in afrikanischen Gesellschaften einfach, ihr Sexualleben war immer auf eine Weise geregelt, daß Triebbefriedigung für jedermann verfügbar ist, sobald er physisch soweit ist.«
    Aber der Funke von Wentz’ Interesse war schon wieder erloschen; pflichtschuldig blätterte er die Seiten um, faltete die Zeitung zusammen und legte sie weg.
    »Armer Teufel. Erst als ich wieder im Bett war, wurde mir bewußt, daß ich ihn totgeschlagen hatte«, sagte er. »Ich hab ihn unterm Pantoffel zerquetscht – wissen Sie, diese Käfer, die haben einen harten Panzer, aber er läßt sich leicht zerquetschen. Und dabei war ich bloß aus dem Bett gestiegen, um dem Lärm ein Ende zu machen, um ihn umzudrehen und dem sinnlosen Kampf ein Ende zu machen.«
    Außer den Zeitungen und der übrigen Post war da noch ein Brief von Olivia. Bray hatte ihn liegenlassen, obwohl er ihm sofort ins Auge gesprungen war, als das Mädchen das Bündel hingelegt hatte – eine Sekunde lang hatte er unter ihrer beider Augen dagelegen, während er schon damit begonnen hatte, die Banderolen von den Zeitungen herunterzureißen. Jetzt öffnete er ihn.
    »Ich meine, auf dem Rücken zu liegen, Stunde um Stunde auf dem Fußboden.«
    Die Züge der großen, wohlgeformten und wohlerzogenen Handschrift bedeckten die dünnen Blätter, ohne daß auch nur ein Wort durchgestrichen gewesen wäre – die Hochzeit eines Sohnes irgendwelcher alten Freunde, Venetias neues Auto, die Konferenz der Labour Party in Brighton –
Ich saß da und sah fern, während Du in dem Rauch und der Hitze von Shinzas Schlacht mit Mweta warst. Daß man gerade das Kino der Joosabs ausgesucht hat – erinnerst Du Dich noch, wie es unmittelbar vor unserem Weggang eröffnet wurde und wie diese kleinen Inderinnen allen weißen Frauen Hibiskusgirlanden voller Ameisen umhängten, so daß wir uns während all der Ansprachen höflich und versteckt kratzten …
    »Ein Zeichen von Schwäche. Es ist tödlich, Schwäche zu zeigen. Sie wirft mir Schwäche vor. Sie sagt, ich hätte den Kindern gegenüber keine Autorität. Aber sich selbst gibt sie ebenfalls Schuld. Wissen Sie, wofür?« Hjalmar setzte jetzt ein schwaches Lächeln auf, vollständig hilflos. »Wissen Sie, was Margot gesagt hat?«
    Sein Blick folgte Olivias Zeilen, während er Hjalmar zuhörte …
Dein Leben ist jetzt so viel interessanter … meine armseligen, langweiligen Neuigkeiten … Manchmal mach ich mir Sorgen. Ich frage mich, an welchem Punkt wir wieder anfangen werden. Natürlich hätte ich kommen sollen, aber die Tatsache, daß ich’s nicht getan habe … zeigt, daß es für uns nicht möglich war.
    »Sie sagte, ich geb mir selbst schuld. Ein jüdischer Vater hätte gegenüber seiner Tochter Autorität bewiesen. Er hätte dafür gesorgt, daß sie eine entsprechende musikalische Ausbildung erhalten hätte. Er hätte für das Leben seiner Kinder eine bessere Umgebung gefunden, anstatt sie hier zu begraben. Ein Jude hätte es besser gemacht.«
    Wieder dieses Rinnsal aus schwächlichem Gekicher, das das betretene Schweigen unterbrach. »Ich weiß, ich bin nicht ganz in Ordnung. Aber es ist wahr – das hat sie gesagt.« Das entsetzliche, hilflose Lachen verwandelte sich jäh in eine tiefbestürzte Entschuldigung – nicht für seine Person, sondern für seine Frau.
    »Arme Margot«, sagte Bray.
    »Ich hab sämtliche Schlüssel zurückgelassen, ich hab den Lieferwagen vor der Bar abgestellt und bin mit meinen Sachen zur Hauptstraße gegangen. Sie kam gerade mit einer Vase voll Blumen in den Eingang und hat beobachtet, wie ich die Schlüssel hinlegte.«
    Manchmal mach

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