Der Ehrengast
Metallmaßband, das wie die Zunge eines Chamäleons vorschnellte, Rebecca mit einem Notizbuch und einem Bleistift. Hjalmar hatte im stillen damit begonnen, sich im Haus nützlich zu machen; zuerst hatte er eine gelbe Leuchte zusammengebastelt, die Insekten vertrieb, und nun wollte er unter dem Feigenbaum eine Fläche mit Steinen auslegen. Rebecca hatte sich an den Stoß Ziegel erinnert, den die staatlichen Bautrupps nebenan im Garten der Tlumes zurückgelassen hatten. Offenbar brachten Hjalmar, Kalimo, Mahlope und die älteren Kinder der Tlumes die Ziegel tagsüber in Schubkarren herüber. Rebecca und Hjalmar waren in eine Diskussion darüber verwickelt, ob sie nun im Korbflecht-Muster oder in kontrastierenden, horizontalen und vertikalen Gruppen verlegt werden sollten. »Sollen wir sie einbetonieren?« »Nein, nein«, Hjalmar demonstrierte es mit seinen Händen: »Wenn Ziegel richtig verlegt werden, bis zur Oberfläche in den Boden versenkt und eng nebeneinander, dann brauchen sie nichts. Wenn Sie wollen, so können Sie ein paar freie Stellen für kleine Sträucher oder ähnliches freilassen – irgendwas anpflanzen, das hübsch aussieht, hm? Wenn die Regenfälle vorbei sind und das Ganze dann nicht weggeschwemmt ist, können Sie kleine Pflanzen setzen.« »Wird das nicht wundervoll aussehen, nächstes Jahr?« Ganz begeistert wandte sie sich an Bray.
Er ließ sie bei ihrer Arbeit an Verbesserungen am und ums Haus zurück, so als würden er, sie und Hjalmar zusammen eine Art von Familie bilden, die sich irgendwo häuslich niederläßt, wo sie für den Rest des Lebens zu bleiben gedenkt.
Dave, der schwarze Barkeeper des Fisheagle, war bei den weißen Männern, die auf ihren Drink dorthin kamen, beliebt. Er trug das mitternachtsblaue Jackett einer Livree und eine Fliege und hatte in sein fließendes Englisch viele ihrer Redewendungen eingebaut: »Was soll’s sein, Colonel, Sir? – Ganz allein, oder warten Sie noch auf Gesellschaft?« Er grinste und breitete schwungvoll eine Serviette auf dem Tresen aus, um auf ihr eilfertig seine kleinen Untertassen mit Knabbereien hinzustellen. Bray dachte, wie lächerlich auffällig hier einer von Shinzas Leuten wirken würde, als er begriff, daß es der Barkeeper selbst war, der seine Aufmerksamkeit zu erregen suchte. »Entschuldigen Sie, Colonel, Sir, aber Ihr Wagen blockiert die Straße – könnten Sie ihn bitte wegfahren …« Als er die Bar verließ, verschwand der Barkeeper durch eine andere Tür und stieß im Gang wieder zu ihm. »Kommen Sie nur da lang, tut mir leid, Ihnen Umstände zu machen.« Das war nur für den Fall, daß irgendwer zuhören sollte; er führte Bray an einer Kiste mit leeren Flaschen vorbei: »Gehen Sie um diese Hecke und dann an der Garage vorbei, dort ist mein Zimmer, das dort, mit dem hohen Dach, Sie können es sehen. Also haben Sie meinen Brief bekommen, hm? Sie brauchen bloß die Tür aufzumachen, er ist da drin …« Shinza hatte Freunde an unerwarteten Orten. Das war aber darauf zurückzuführen, daß das kleine Gala, oberflächlich betrachtet, eine Stadt der weißen Kolonialisten geblieben war und man den Fehler machen konnte, die Schwarzen im Kontext von Weißen zu sehen: Nur deshalb, weil er seine Arbeit gut machte, erweckte dieser »Typ«, Dave, den Anschein, ein weißer Schwarzer zu sein, dem eher die Interessen seiner Gäste am Herzen lagen als irgendein anderes Anliegen; als die Zeit der Kolonialverwaltung zu Ende ging, stellten weiße Clubmitglieder in vielen afrikanischen Staaten schockiert fest, daß der gleiche Mann, den sie als ihren Lieblingsober oder -fahrer schätzten, in seinem Privatleben ein politisch Radikaler war.
Der Hotelgarten war dunkel, abgesehen von einer einzelnen Birne über der Männertoilette – die Toilette für die Barbesucher war hier draußen, so daß auch für den Fall, daß man ihn sah, ander Anwesenheit eines in der Nähe der Personalunterkünfte herumlaufenden Weißen nichts Ungewöhnliches gewesen wäre. Im Zimmer des Anbaus saß Shinza auf einem Bett, das auf Ziegeln aufgebockt und mit einem geblümten Stoff überzogen war. »Hör zu«, sagte Bray, »bevor wir ein Wort über etwas anderes reden – Selufu hat grünes Licht bekommen, jeden festzunehmen, den er als ›unerwünscht‹ ansieht, was heißen soll, daß er eine Menge Informanten hier in der Umgebung hat, also …«
Shinza schüttelte den Kopf, er preßte seine Zungenspitze gegen den abgebrochenen Zahn. »Ich geh nicht in die Nähe des
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