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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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durch die Staaten Zentral- und Ostafrikas führt. Vor zehn Jahren war es ein Ausflugsziel gewesen, zu dem Weiße aus der Stadt und aus den Minen übers Wochenende oder am Sonntag hinausfuhren; gleich in der Nähe konnte man fischen, und im Garten gab es einen zahmen Klippschliefer und Vögel in Käfigen zu bestaunen. Nun aber breitete sich die Hauptstadt zum alten Hotel hin aus, die Lichter der vereinzelten Häuser schimmerten durch den Busch wie durch Spinnennetze, es gab Namen für neue, noch unbebaute Straßen, und auch einige Ministerien waren hierher übergesiedelt. Bray hatte gehört, daß die neue Universität für dieses Gelände geplant war. »Ja – aber jetzt ist erst mal wieder alles anders«, sagte Dando, der hinter seinem Lenkrad saß wie hinter dem Kopf eines unberechenbaren Pferdes. »Höchstwahrscheinlich wird die neue Universität am Westhang der Stadt gebaut. Und jetzt, wo sie ein Hundertfünfzigtausend-Pfund-Arbeitsministerium hingestellt haben, kommen sie endlich drauf, daß die Regierungsgebäude alle auf ein und demselben Areal stehen sollten. Also werden sie dort, wo schon die anderen hingebaut werden, noch ein Ministerium hinstellen. Ungefähr tausend Morgen unmittelbar unterhalb des Regierungsgebäudes und der Botschaften. Worauf jeder schon vorher hätte kommen können, bloß der eigens importierte Experte für Stadtplanung nicht.«
    »Und was wird nun aus diesem Bau da?«
    Dando stieg aufs Gas, um seiner Antwort die richtige Würze zu geben. »Meines Wissens wird man hier Batteriehühner züchten. Armer alter Wentz. Er hat nicht viel Glück mit seinen Investitionen. Er steckt noch immer in einem Haufen Schwierigkeiten wegen der Besitzurkunde für das Hotel – immer wieder versprech ich, die Papiere einmal gemeinsam mit ihm durchzugehen, er hat sich nämlich diesem gottverdammten Trottel McKinnie ausgeliefert – erinnerst du dich noch an McKinnie und Golden? Er ist hierherauf übergesiedelt, hat das Grundstück gekauft und den Kaufvertrag unterschrieben, und dann, als die Frau mit derFamilie nachkam, gab es bei irgendeiner verdammten Klausel, auf die er sich nie hätte einlassen sollen, einen Haken. Um ein Haar hätte er’s nicht einmal übernehmen können.«
    »Du lieber Himmel. Mußten sie nicht wegen irgendwelcher politischen Schwierigkeiten aus Südafrika weg?« Bray legte das freundliche Interesse eines Durchreisenden an den Tag.
    »Weiß ich nicht, ob sie
mußten
. Sie war nervös und wollte weg – Hjalmars Frau. Sie ist Jüdin – er hat sie sechsunddreißig aus Deutschland rausgeholt, weißt du, obwohl er selbst nicht Jude ist. Hat sie über die Grenze geschmuggelt. Eine scheußliche Geschichte. Durfte sie in Deutschland natürlich nicht heiraten. Nicht einmal seiner Familie konnte er davon erzählen, konnte keinem vertrauen. Machte sich mit ihr einfach auf und davon. Unglaublich, die ganze Geschichte. Soviel Mumm würde man Hjalmar gar nicht zutrauen, aber er hat’s getan. Hätte passieren können, daß er mit ihr zusammen ins KZ gegangen wäre, wenn sie ihn geschnappt hätten.«
    Eine Leitung mit buntbemalten elektrischen Birnen lief in Bögen von Pfosten zu Pfosten auf der vertrauten, großzügig angelegten Veranda des Silver Rhino. Auf harten Stühlen saßen biertrinkende Schwarze. Manche hatten Frauen dabei, und diese hatten selbstverständlich Babys mit. Kleine Kinder spielten mit leeren Bierflaschen und kletterten an der niedrigen Verandamauer hoch. An der Tür der Telefonzelle, die immer schon dort gestanden hatte, war ein großes Porträt von Mweta angebracht, über dem eine goldene Rosette prangte; auf den Rahmen hatten Leute Telefonnummern gekritzelt. Im Hotel selbst waren die alten Aquarelle durch ein paar qualitativ gute Masken aus dem Kongo ersetzt und die Wände waren reinweiß gekalkt worden – aber ansonsten war alles so, wie Bray es in Erinnerung hatte. Im Speisesaal stand eine überdachte Konstruktion, die an einen Märchenbrunnen erinnerte und die als offener Grill für das Fleisch gedacht war – an jenem Abend aber war sie nicht in Betrieb, und die Steaks kamen aus der Küche. Seit Brays Abschied von Afrika hatte man die Ankunft des Tiefkühlschrankesgefeiert, und nun kriegte er überall diese Steaks: große, dicke Fleischlappen, zäh wie Leder. »Für gewöhnlich macht sie eine Pilzsoße, eine Spezialität«, nörgelte Dando. »Haben alle etwas gemeinsam, diese Lokale: anfangen tun sie gut.« Hjalmar Wentz hatte sie entdeckt – wahrscheinlich

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