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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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verwandelte sich jedes Essen dort in einen halben Besuch bei Wentz – und kam herüber an den Tisch. Er trug Baumwollhosen und ein grünes Strickhemd, das sich in Falten um seine Brust legte. Entschuldigend streckte er seine Hände aus. »Gott im Himmel, Sie müssen mir vergeben – ich wollte, daß Sie sich zuerst einen Martini oder irgendwas in dieser Art genehmigen, aber bei dem Wirbel hier … Ich kann Ihnen gar nicht sagen … Für morgen hat die Handelskammer einen Lunch bestellt, und als wir heute früh die Krebse vom Bahnhof abholten, bemerkten wir, daß alle schlecht waren. Die ganze Partie. Margot zaubert jetzt irgendwas andres her, vermehrt gerade auf wundersame Art Brot und Fisch … ist der Wein gut? Roly, Sie sollten einmal einen Montrachet probieren, den ich aufgetan habe … aber das nenn ich ein Steak, nicht wahr? Also, Krebs haben wir heute abend nicht zu bieten. Aber erinnern Sie mich dran, daß Sie ihn nächstes Mal versuchen … so ein leichtes, zartes Fleisch.« Er setzte sich zu ihnen und trank ein Glas Wein mit, und sie unterhielten sich über englische Politik; es war ihm lästig, daß er hin und wieder den Faden verlor, weil er sich umsah, ob er nicht irgendwo anders gebraucht wurde, um dann, vom Gesprächsthema unwiderstehlich angezogen, wieder mitzureden. Als Kaffee aufgetragen wurde, sagte er: »Ach bitte, Margot möchte so gern, daß Sie den Kaffee später mit uns trinken. Wenn wir Glück haben, sind wir um zehn aus der Küche. Kommen Sie in unseren Palast, Roly kennt den Weg.« »Ist Stephen im Pub?« sagte Roly. »Kann sein. Ich weiß nicht. Heute abend sollte eigentlich der Barmann dasein.« Die Kellner hatten schon eine Zeitlang unruhig zu ihm hingesehen; er machte sich auf die Beine.
    Die Luft in der Bar war stickig vom kühlen, säuerlichen Geruch des Alkohols. Im Luftzug eines Ventilators bewegte sich einMobile aus winzigen Wikingerschiffchen – die Art, die man in Flughäfen erstehen kann – auf und ab, langsam und ungleichmäßig wie falsch austarierte Waagschalen. »Wie alt bist du, Bürschchen?« rief Dando einem untersetzten, blonden Jungen mit einem Grübchen am Kinn zu. Offenbar handelte es sich dabei um einen alten Scherz; Stephen Wentz lächelte und stellte ein wenig großspurig eine Flasche Brandy und zwei Cognacschwenker hin. »Alt genug, um zu wissen, was Sie wünschen, Mr. Dando.« »Hjalmars Sohn und Erbe. Eines Tages werden ihm all die Flaschen da gehören.« Hjalmar Wentz tauchte mit der Verlegenheit dessen auf, der sich gerade verabschiedet hat; er redete mit dem Jungen. Dando hielt das Brandyglas wie einen Vogel zwischen den Händen. »Ich habe Ihrem Herrn Sohn da gerade erklärt, daß ich Sie bei der Polizei anzeigen muß, weil Sie Minderjährige in einem Barbetrieb arbeiten lassen.« »Keine Sorge, Sie sollten mal erleben, wie wir uns anstrengen müssen, damit nicht die Babys auf den Rücken der Mütter hier reinkommen.«
    »Wir haben sie draußen gesehen«, sagte Bray. »Sah wirklich heimelig aus.«
    »Das ist eben Margot«, Hjalmar tat übertrieben vertraulich. »Sie kommen wahnsinnig gern her. Sie macht die Runde und steckt den Kindern Süßigkeiten zu. Die anderen Hotels, die strengen sich natürlich alle an, sie so weit zu bringen, daß sie ihre Kinder daheim lassen.«
    Die meisten Gäste, die sich hier wegen der Woche der Unabhängigkeit aufhielten, waren schon gegangen, aber die Bar war noch zur Hälfte von Stammgästen besetzt, einer Mischung aus Weißen und Schwarzen, von denen einige offenbar gemeinsam hergekommen waren. Junges Gemüse aus dem Stab der zu Besuch weilenden Honoratioren war im Rhino einquartiert – ein Sekretär aus dem Senegal, zwei Herren von der Elfenbeinküste –, und außerdem waren noch Zeitungsleute und ein Paar von den Philippinischen Inseln da, das für eine demographische Kommission der UNO (Dando wies mit dem Finger auf sie) arbeitete, zusammen mit Freunden von der ghanesischen Botschaft. Einoder zwei der Leute Mwetas mit Routinejobs in der Regierung mischten sich unter diese Kosmopoliten. Dando sagte über sie: »Die sind noch in dem puritanischen, eifrigen Stadium, dann kommen die Bestechungsaffären, dann die Säuberungen, aber schließlich wird es für sie etwas ganz Normales sein, sich in Gesellschaft von ganz gewöhnlich Sterblichen in einem Pub einen zu genehmigen. Sie werden sich schon beruhigen.« Er wurde von vielen Leuten begrüßt; selbst Bray entdeckte Gesichter, denen er in der Zwischenzeit schon des

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