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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Hauptstadt stürzen, um eine Regierung zu schützen, die sie nie gesehen haben?«
    Er hörte zu, wollte aber nicht antworten.
    »Wir haben noch andere Freunde. An einem guten Platz. Die Sonderabteilung. Sie ist nicht bloß von Nutzen, wenn man Informationen braucht, manchmal muß man auch in der Lage sein, etwas gezielt durchsickern zu lassen. Ich meine, Tola Tola aus dem Weg zu haben, das ist doch etwas, oder?«
    »Es ist also alles sehr professionell«, sagte Bray.
    Shinza musterte ihn einen Augenblick. »Ja! Wenn es richtig gemacht wird, sollte es nicht einen eingeschlagenen Schädel geben. Nicht einen Tropfen, nicht einen Kratzer.«
    »Und was ist mit Somshetsi?«
    »Er hat jahrelang über nichts anderes nachgedacht als über so was. Wir benötigen tragbare Geräte zur Nachrichtenübermittlung, Mann – so Zeug. Unser Ziel ist das organisatorische Zentrum und nicht der Kampf auf der Straße.«
    »Wann willst du, daß ich fahre, Edward?«
    »Jetzt. Sobald du kannst. Du kriegst die Unkosten am anderen Ende. Ich werd dir die Adressen sagen, weil wir nichts aufschreiben, hm? Ich möchte nicht, daß du ›ergriffen‹ wirst …«
    »Ich weiß nicht, wie schnell ich wegkomme. Es geht mir nicht mehr darum, Zeit zu gewinnen. Es gibt da ein paar persönliche Dinge, die ich erledigen – durchdenken muß. Ich muß mich entscheiden, wie ich es am besten mache.«
    »Gut. Gut. Aber ich werd nicht dasein. Es fahren ständig Leute hin und her, also kannst du für mich Nachricht in der Bar hinterlassen, es kann allerdings sein, daß sie mich nicht sofort erreicht. Das beste wär, wir nehmen Kontakt auf, wenn du runterkommst, um dein Flugzeug zu nehmen. Geh zu Haffajees Reparaturwerkstatt – verstehst du? – frag nach dem Schlosser, Thomas Pathlo.«
    »Wieder Haffajees Werkstatt.«
    »Mmmh? Pathlo weiß, wo ich bin. Oder wo Goma ist, falls ich nicht da bin. – Na, also wirst du auf alle Fälle deine Familie in England wiedersehen. Wenigstens tu ich Olivia einen Gefallen.«
    »Mag sein, daß ich nicht zurückkommen kann«, sagte Bray. »Mweta wird mich möglicherweise nicht reinlassen. Es muß ihmklar sein, daß wir in Verbindung sind. Und sollte er mich doch wieder reinlassen, dann müßte er mich verhaften.«
    Shinza redete plötzlich in Gala. »Vielleicht braucht er dich, um sich die Hand freizumachen, selbst jetzt noch.« Die Redewendung: »die Hand freimachen«, bedeutete, das Tabu der Verletzung eines Stammesmitgliedes aufzuheben, eines von der eigenen Sippe.
    »Ist schon vorgekommen«, sagte Bray.
    Sie besprachen genau, wohin er fahren und um welche Art von Unterstützung er werben sollte; sie machten aus, welche Kontakte er benutzen sollte, um Shinza – sowohl in der Heimat als auch über Somshetsi jenseits der Grenze – zu informieren. Es war schon lange nach Beginn der Sperrstunde, als er seinen Heimweg antrat. Das Fisheagle war dunkel wie die Hauptstraße, die von den Grillen und dem winzigen hellen Hämmern der Baumfrösche schrillte. Er begegnete nur einer einzigen Polizeipatrouille und versuchte nicht, sich vor ihr zu verstecken: ein weißer Mann, der aus Richtung Fisheagle-Bar kam, würde wohl kaum als Sicherheitsrisiko angesehen werden. Die Polizisten murmelten auf gala ein heiseres Gute Nacht, und er murmelte zurück. Natürlich, auch in England wäre es ein Gesetzesbruch; war es nicht unrecht, den Sturz der Regierung eines befreundeten Landes zu planen? Dort brach jetzt der Winter an, so wie letztes Jahr – beinahe ein Jahr, daß er weggegangen war. Kalte, feuchte Blätter, die die Schritte auf den Gehsteigen dämpften, und der süße Grabgeruch, der zum Gesicht heraufdampfte. England. Ein tiefer Widerwille durchdrang ihn, verlangsamte sogar seine Schritte. England.
    Hjalmar und Rebecca waren noch immer draußen unter dem Feigenbaum, als er zum Haus zurückkam. Mechanisch hatte er darauf geachtet, die Tür seines Wagens zu öffnen und wieder zuzuschlagen, damit es so aussähe, als wäre er in ihm nach Hause gefahren; er konnte seinen eigenen Schweiß riechen, als er sich in den Stuhl fallen ließ, und hoffte, Hjalmar würde nicht bemerken, daß er offenbar zu Fuß gegangen war. Es war so heiß, daß ernoch keine Lust aufs Bett verspürte. Der Mond hoch am Himmel hatte den Dunst ein wenig zerstreut, und er schien Wärme wie Licht zu reflektieren. Der eigentümliche häusliche Friede, der neuerdings bei ihnen eingezogen war, so als könne er nur unter dem Schutze alles dessen wachsen, das ihn unmöglich und

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