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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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absurd machte, barg sie.
    Später sagte Rebecca: »Es riecht nach Feuer.« Drüben, über dem Township, zeigte der Himmel einen mitternächtlichen Sonnenaufgang.

 
     
    IN DER NACHT wurden Häuser in Brand gesetzt, und fünfzehn Menschen starben.
    Im ganzen Land wurden »heilige« Feuer entzündet; die Jungpioniere hatten Mwetas Metapher vom »Verbrennen der dreckigen Lumpen« wörtlich genommen. Nichts, was er jetzt sagte, ob wütend oder verzweifelt, Drohung oder Appell, konnte noch zu ihrem wilden Evangelismus durchdringen.
    Viele der Streikenden aus der Eisenerzmine hatten ihre Familien in Gala. Während die Polizeitruppen am Tage des Gemeinschaftsbegräbnisses in die Stadt abgezogen wurden, damit sie die Brandstifter fassen konnten (außerdem begannen Leute, deren Häuser niedergebrannt worden waren, sich zu Banden zusammenzuschließen, um sich mit weiteren Brandstiftungen zu rächen), strömten diese Streikenden plötzlich nach Gala herein. Sie überwältigten das kleine Polizeikontingent, das zur Bewachung der Mine zurückgeblieben war, beschlagnahmten Lastwagen, fuhren die Nacht hindurch und schafften es in dem Durcheinander irgendwie, in der Frühe, noch bevor die Polizei sie aufhalten konnte, in die Stadt zu gelangen. Dort teilten sie sich irgendwie in zwei Gruppen, deren eine quer über den Golfplatz auf das Viertel der Schwarzen losmarschierte, während die andere direkt in den Straßen von Gala landete. Bray und Rebecca beobachteten das vom
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aus; die Männer waren die ganze Nacht unterwegs gewesen und schleppten sich – ein Teil in Schutzhelmen, andere mit Stöcken, die sie eher wie Wanderstäbe trugen als wie Waffen – singend und in langen Schritten wie im Traum dahin, ein langsamer Tanz. Rebecca hatte Tränen in den Augen; er dachte, es wäre die Angst. Sie sagte: »Arme Teufel.«
    Aleke kam zu ihm, stand breitbeinig da, zog die Luft tief ein. »Glaubt er denn, daß Fallschirme vom Himmel fallen werden? Er ist wahnsinnig. Wo soll ich jetzt, diese Minute, Truppen herbekommen?«Selufu hatte ihn früh am Morgen aus dem Bett geholt und telefonierte unablässig.
    »Naja, er ist ein Mann mit Sorgen.«
    »Wir machen uns alle Sorgen. Ich hab mit Matoko gesprochen. Ich hab mich mit dem Ministerium verbinden lassen und den Minister persönlich verlangt. Was will er also noch? Zum Teufel damit!«
    Er stand da und beobachtete die Prozession mit einem eigentümlichen Ausdruck trotziger Unentschlossenheit. Sein ganzes zuversichtliches, ausgeglichenes Wesen schien gefährdet, wie eine Lawine, die schon ein Schrei auslösen konnte.
    »Irgendwelche Hilfe aus Matoko?«
    »Sie sind wohl auch schon übergeschnappt. Bei der Asbestmine ist seit einer Woche die Hölle los. Die Gesellschaft mußte Leute hinschicken, um da Ruhe zu schaffen. Gestern haben sie auf Streikende geschossen und dabei eine Frau getötet, die irgendwas damit zu tun hatte. Weiß der Himmel, was da oben los ist.«
    Der Gesang war jetzt Cello – laut und schwankend und trug die besondere Art der Scheu, den die menschliche Stimme auszulösen vermag, bis nahe an die Fenster heran. Boten und Angestellte des
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traten auf das gras- und blumenbewachsene Stückchen Erde. Old Moses, der Gärtner, ließ den Wasserstrahl aus seinem Gartenschlauch wie eine Schlange in die Höhe fahren und schrie auf gala: »Seid ihr durstig!« Die Leute aus dem
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lachten verhalten, weil sie erwarteten, zurück zur Arbeit gerufen zu werden; einer hielt einen braunen Schnellhefter hoch, um seine Augen gegen die Sonneneinstrahlung zu schützen.
    Es ließ sich nicht mit Bestimmtheit sagen, was und wohin die Streikenden eigentlich wollten; ihr Ziel lag in ihnen selbst, dort, wo sie sich nun seit Monaten von vielerlei Dingen bedroht wußten: vom Mangel an Vertrauen in diejenigen, die in der Mine in ihrem Namen sprachen, der rätselhaften Macht von Menschen, die sie im Namen des Parteipräsidenten tyrannisierten, vom Versagen der Autorität, die sie beschützen sollte. Sie zogen am
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vorbei in Richtung Markt.
    Plötzlich sagte Aleke: »Kommen Sie«, und eher angetrieben von einer Vorahnung und ohne sich darüber im klaren zu sein, was sie eigentlich tun konnten, fand sich Bray an seiner Seite, treppab über die Stufen des
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mit ihrem alten Holzgeländer, vorbei an den Beamten, die – obwohl Aleke ihnen nicht einmal einen Blick zuwarf – Angst davor hatten, ihnen zu folgen, hinaus und hinter den Männern die Straße hinauf. Alekes großer, muskulöser Hintern in der

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