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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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gut gebügelten, kurzen Terylenehose arbeitete wie der eines Athleten. Mit großartigem Instinkt gelang es ihm, das Würdelose dieser Jagd zu einer Tugend umzumünzen – anstatt die Streikenden seitlich zu überholen, bahnte er sich zur Mitte hin einen Weg. Mit der Entschiedenheit von Schäferhunden drangen er und Bray rasch wie inmitten einer Herde vor. Um sich herum spürte Bray die laufenden Körper und roch den Schweiß und den Staub; mehr Männer erkannten ihn wieder als Aleke. Augen lagen auf ihm: eine sich zusammenziehende Unvermeidlichkeit, blitzartige Preisgabe – so als läge seine Parteinahme für Shinza, sein wirklicher Platz in all dem, und nicht dieses Bild als neutraler Helfer Alekes einen Moment lang nackt vor den Augen all derer da, die sehen konnten. Aber instinktiv setzte sich das Verhalten der Autoritätsperson durch. Gerade als sie beim Markt angekommen waren, durchbrachen er und Aleke die vordersten Reihen der Männer, taten ein paar große Schritte rückwärts und erhoben gleichzeitig, so als hätten sie die Szene einstudiert, ihre Hände. Der Gesang verebbte; die Männer in der vordersten Reihe blieben stehen, die hinter ihnen schlossen auf. Sie verteilten sich um sie, so daß sie Aleke und Bray – allerdings im Abstand – zwischen kleinen Häufchen dürr-geschrumpeltem Gemüse und getrocknetem Fisch einkreisten. Ein altes Weib, das durch sie und mit ihnen in die Falle geraten war, saß da, die verhornten Beine unter ihrem Kleid hochgezogen, ohne sich zu rühren. Aleke ergriff das Wort. Seine Arme lagen gekreuzt auf seinem mächtigen Brustkorb. Als die Männer vordrängten, um besser zu hören, durchbrach er abermals ihre Reihen und sprang auf einen selbstgebauten Stand, wo er sich dann zwischen Erdnüssen undManiok aufstellte. Der Stand knarrte, hielt aber; in seiner kräftigen, gutmütigen Stimme lag weder ein Drohen noch ein Betteln. Er sagte, er wisse, weshalb sie gekommen seien: Sie machten sich Sorgen wegen ihrer Verwandten. Aber er verspreche, daß alles unternommen werde, um dem Brennen und Kämpfen ein Ende zu machen. Würden sie es eigenhändig zu stoppen versuchen, dann würde die Lage für ihre Verwandten nur noch schlimmer werden. Wenn sie den Weg, den sie gekommen waren, zurückgingen, würde er persönlich dafür garantieren, daß man sie weder verhaftete noch belästigte …
    Er wußte und sie wußten, daß er nichts dergleichen versprechen konnte. Aber sie glaubten, daß er es versuchen würde; und ihre Absicht, die auszudrücken sie noch keinen Weg gefunden hatten, schwankte, als hätte sein Kommando sie getröstet. Die Spannung löste sich, als er unter den Männern umherging und sich mit ihnen unterhielt, und die Leute auf dem Markt begannen zu reden, herüberzublicken und mit den Fingern zu zeigen. Bray sagte: »Schaffen Sie sie zurück zum Golfplatz. So schnell wie möglich weg von hier. Sicherer wäre es, wenn es gruppenweise zu machen wäre. Und die Hauptstraße müssen sie vermeiden.« Es waren etwa hundertfünfzig Mann; schwierig, diese Atmosphäre der Übereinstimmung mehr als des Gehorsams, die Aleke geschaffen hatte, nicht dadurch umschlagen zu lassen, daß man die Autorität den Führern zu offensichtlich aus der Hand nahm.
    »Sollen wir selbst mitgehen?« Aleke und er standen inmitten der Menge, die, die Gesichter schweißüberströmt und über und über von den Fliegen des Marktplatzes bedeckt, die sich auf ihnen niederließen, aussah, als käme sie von einem Fußballspiel. Aleke wollte vor allem eine Begegnung mit der Polizei vermeiden. Und dann, mit einem Anflug des alten, unbeschwerten Selbstvertrauens: »Ich werde wie ein verdammter Narr aussehen, wenn ich da vor denen hermarschiere.«
    »Wenn sie sich in drei Gruppen aufteilen, dann kann eine am
boma
vorbeiziehen, eine zweite um den Schlachthof herum – nein, das ist nichts, zu nahe bei den Ziegeleien – um den altenGemeindesaal der Kirche herum, das ist besser, dort führt ein Weg über offenes Gelände. Und die dritte kann dann, zehn Minuten nach der ersten, wieder der Straße zum
boma
folgen. Das wichtigste ist, die Sache in Ruhe versickern zu lassen«, sagte Bray.
    »Ich werd mit der ersten Gruppe einfach irgendwie zum
boma
hinaufspazieren – es wird so aussehen, als ginge ich bloß dorthin zurück, und dann schau ich, daß ich sie weiterbringe.«
    »Das ist gut.«
    »Sie bleiben aber hier«, bat ihn Aleke. »Rühren Sie sich einfach nicht von der Stelle und behalten Sie sie im Auge … Die

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