Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
Vom Netzwerk:
der als Halterung für die Fahnenstange gedient hatte, als der Union Jack hier noch wehte. »Bleib du unten, sonst ist es vielleicht zuviel Gewicht«, sagte Bray zu Rebecca, und so blieb sie unten stehen und wartete. Ein Wagen, der umgestürzt worden war und jetzt brannte, vernebelte alles mit Rauch. Aber die zwei Polizeijeeps mit den glänzenden Peitschen ihrer Funkantennen konnten sie sehen.
    Sie gingen wieder zurück hinein ins
boma
, und Aleke versuchte Selufu telefonisch zu erreichen. Während er den diensttuenden Beamten befragte und sie seine Reaktionen auf die Antworten beobachteten, flüsterte Rebecca Bray ins Ohr: »Du blutest auch.« Er sah hinunter; auf seinem Schuh dunkles Blut. »Von den toten Hühnern.« Sie schüttelte den Kopf; ohne ihn vor den anderen zu berühren, zeigte sie darauf: »Es läuft, schau.« Seine Hand fuhr in die Tasche und kam mit dem von der Limonadenflasche abgebrochenen Hals heraus. Er sah sich nach etwas um, wo er ihn hinlegen konnte. Sie nahm ihn ihm ab und legte ihn, blutig und verdreckt wie er war, in Alekes Aschenbecher. Die Innenseite seiner Hosentasche war aufgeschlitzt, und in seiner Leiste fühlte Bray eine Schweinerei aus nassem Haar und, darunter, einen Schnitt. Er schüttelte den Kopf; es war nichts.
    »Er ist im Township. Man hat dort Leute umgebracht. Siemußten auf sie schießen. Auf dem Polizeiposten ist niemand außer dem Mann am Telefon. Niemand.«
    Alles schwieg. Sie blickte auf den blutigen Schuh.
    Er sagte: »Wir könnten den Wagen nehmen und wieder zurückfahren, wenn Sie wollen.«
    »Was können wir beide schon machen«, sagte Aleke.
    »Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht. Wenn sich bloß die Jungpioniere rausgehalten hätten, dann wäre alles in Ordnung gekommen. Sie haben getan, was Sie konnten – wir könnten schnell am Ziegelwerk vorbei – die Leute drinnen halten und weg von der Straße.«
    »Und was ist mit Rebecca? Glauben Sie, daß es hier für sie und Godfrey sicher ist?«
    Bray sagte: »Wir fahren sie zu meinem Haus rauf.«
    »Ich kann fahren. Ich werd diese Straßen vermeiden. Godfrey und mir wird schon nichts passieren.«
    Bray und Rebecca sahen einander einen Augenblick an.
    »Nimm den Weg am Friedhof vorbei. Paß auf, daß du nicht in die Nähe des Golfplatzes kommst.«
    Als er neben Aleke saß, hatte er einen Augenblick lang eine düstere Vorahnung über Rebecca – eher so, als wäre schon etwas geschehen, als daß sie möglicherweise in Schwierigkeiten geraten könnte. Die kleine Wunde tat so weh, als hätte er sich an einer Zigarette verbrannt, der Schmerzradius in keinem Verhältnis zur oberflächlichen Verletzung. Aleke schlug sich unten im Industrieviertel hervorragend. Man hatte die Arbeit unterbrochen; Gerüchte über die Geschehnisse im Township hatten die Leute ihre Fahrräder nehmen und nach Hause eilen lassen. Er sprach zu Gruppen von Männern, während diese sein Ohr anstarrten, das Rebecca mit einer elastischen Binde an den Kopf bandagiert hatte, und Bray sah, wie sie sich zu ihm hingezogen fühlten, zum physischen Zuspruch seiner Person – genauso wie zu Hause Frauen, Freunde, Kinder, ohne daß er sich darum bemühte, von ihm angezogen wurden.
    Aleke sagte: »Möchten Sie ins Township fahren?«
    So konnte man das auch sagen. »Ich komme mit.«
    Plötzlich gähnte Aleke leidenschaftlich, hob seine Hände vom Lenkrad und ließ sie wieder hinunterklatschen. »Wir fahren bei Ihrem Haus vorbei und schauen nach, ob sie sicher zurückgekommen sind.«
    Er sagte: »Ich frag mich, was in der Stadt los ist. Es gibt eine Menge Verletzte.«
    »Ich kann mich nicht in zwei Teile zerreißen. Die Polizei ist da. Die Geschäftsleute werden wohl so viel Hirn haben, daß sie ihre Läden dichtmachen.«
    Neben Rebecca, Hjalmar und Letanka waren auch die Tlumes im Haus; die Kinder machten ein Fest daraus; Kalimo jagte sie aus der Küche, und sie rannten quietschend durch die Zimmer. Rebecca und Kalimo trugen Kaffee auf. Aleke stürzte eine Tasse hinunter, umgeben von einer Aura verlegenen Schweigens – unausgesprochene Fragen, die sich um jemanden, der mit Befehlsgewalt ausgestattet ist, zu einer Mauer auftürmen. Edna Tlume hatte Nachtdienst gehabt und sollte eigentlich während des Tages schlafen, war aber ins Spital zurückgefahren und hatte jetzt nur schnell hereingeschaut, um sich zu vergewissern, daß Nongwaye die Kinder von der Schule abgeholt hatte. Sie bot an, Alekes Ohr zu verbinden, aber seine Frau Agnes hatte, nachdem im Büro

Weitere Kostenlose Bücher