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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Gebäude, sondern zwischen die Streikenden. Noch während der Wagen fuhr, öffnete Bray die Tür, und während Aleke ihnen weiter knirschend einen Weg durch die Menge bahnte, hing er schon, ans Dach geklammert, draußen und brüllte die Leute auf gala an, sie sollten sich zurückziehen. Das Brüllen seiner eigenen Stimme, der brutale Kommandoton, ihr harter, metallener Klang, diese Stimme, die er aus der Vergangenheit seiner Art herausgrub und die ihm, seiner Existenz, im Namen der Schiffskapitäne und Sklavenhändler, die zwischen ihren Beinen seine Gene ausgebrütet hatten, hohnsprach, machte ihn taub für den Lärm und das Chaos. Der Druck des Blutes in seinem Hals zog einen trüben Film über seine Augen. Trotzdem brüllte er weiter; in ihren zerrissenen Kleidern wandten sie sich um, steuerten auf den Wagen zu und kehrten dem Gebäude den Rücken. Er bildete sich ein, sie riefen: »Shinza! Shinza!« – Aleke hatte den Rückwärtsgang eingelegt, riß das Steuer herum und fuhr quietschend rückwärts zwischen der Menge hindurch, während die Männer schon hinter ihnen herliefen und Bray, so als wäre er gekommen, sie zu erlösen, immer wieder zuriefen: »Shinza! Shinza!« Als sie sich nach Alekes Schätzung außerhalb der Reichweite des Tränengases befinden mußten, hielt er an und sprang aus dem Wagen. Der Ausdruck in ihren Gesichtern, mit denen sie Bray angesehen, der Name, den sie gerufen hatten – sie waren im Durcheinander verlorengegangen. Aleke und Bray schlossen instinktiv wieder ein Bündnis der Disziplin und bewegten sich hastig zwischen den Männern, wobei sie rund um den zügellosen Aufruhr eine unsichtbare Schnur warfen und sie, indem sie sich den Augenblick des Zögerns, der den Willen des Mobs ablenkt, zunutze machten, wie Schafe vor sich her trieben.
    Das vordringlichste Problem war, die Männer von der Eisenmine aus diesem Viertel herauszukriegen. – Selufu konnte nicht den ganzen Haufen verhaften, und selbst wenn er es getan hätte, hätte er nicht genug Platz für sie gehabt. Es war offensichtlich, daß die »Invasoren« jedesmal, wenn die Kämpfe zwischen Polizei,Streikenden und Jungpionieren abflauten, mehr oder weniger geschlossen beisammen blieben, zumindest in Gruppen, die dann für die Polizei und die nächste Meute von Jungpionieren, denen sie über den Weg laufen mochten, eine gute Zielscheibe abgaben, während die einheimischen Männer in ihren Wohnstraßen verschwanden. Etwas war erstaunlich an Aleke: Er scherte sich nicht ums Protokoll und schien auch nicht auf den Gedanken zu kommen, daß er eigenmächtig und ohne Rücksicht auf den Polizei-Commissioner handelte. Plötzlich kam er auf die Idee, die Kumpel irgendwohin zu bringen – aber wohin? – »Das Gelände der Landwirtschaftsmesse«, fiel Bray ein – und sie dort festzuhalten, bis sie wieder zur Mine zurücktransportiert werden konnten. Bray nahm den Wagen und raste durch die verdreckten Straßen, um Malemba zu suchen und ein paar Schulbusse zu requirieren. Es war so absolut absurd, wie es Verzweiflungsschritte oft sein müssen: Sampson und Bray und Aleke mit Busladungen voller zerschlagener Männer im Kampf gegen die Angriffe des Mobs, der nicht mehr wußte, ob der Anblick ihn zornig machte oder ihm Angst einjagte. Als die Operation abgeschlossen war, fuhren Bray und Malemba wie verrückt vom Messegelände in die Stadt, um Brays Wagen abzuholen, sich mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und Verbandszeug einzudecken und Hilfe zu holen. Aber Brays Wagen war nicht vor dem Haus; Edna hatte Rebecca, Hjalmar und Nongwaye angerufen, sie sollten ihr beim Transport der Verwundeten ins Spital helfen, die immer noch auf dem Marktplatz lagen. Bray und Malemba fuhren zurück zum Messegelände: Aleke war gerade in einen Streit mit zwei Weißen verwickelt, Mr. George Nye und Mr. Charles Aldiss, dem Präsidenten und dem Sekretär der landwirtschaftlichen Genossenschaft der weißen Siedler, die ihn aufforderten, er solle die Leute von dem Privatbesitz entfernen, auf dem sie sich unberechtigt aufhielten. Ein alter Schrecken aus den Zeiten, da ein Gebrüll zwischen weiß und schwarz einen Riß in jener besonderen Gesellschaftsordnung bedeutete, für deren Aufrechterhaltung er bezahlt wurde, erfaßte Bray unvorbereitet. Jetzt hatte er keine besondereAussagekraft; Aleke hatte zu sagen, und Nye war bloß ein Privatmann, der Schwierigkeiten machte; daß er ein Weißer war, half ihm überhaupt nichts. Aber kaum hatte Nye Bray erblickt, wandte er

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