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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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niemand abgehoben hatte, Rebecca hysterisch angerufen – er stürzte davon, »um ihr das Maul zu stopfen«, indem er sich für einen Augenblick sehen ließ. Er hatte noch einen anderen Grund: »Haben Sie ein Schießeisen?« fragte er Bray.
    »Für Vögel. Sechstausend Meilen von hier.«
    Godfrey Letanka machte sich wegen seiner Mutter Sorgen, und sie versuchten ihm auszureden, ins Township zu fahren. Bray rief im Haus von Sampson Malemba an. Sampsons Frau hob ab; sie habe keine Ahnung, wo Sampson sei, es gebe Ärger, Ärger, wiederholte sie. Sie hatte sich verbarrikadiert. Wagen und Laster »dieser Leute« – sie meinte die Jungpioniere, genausogut hätten es aber auch Streikende sein können – führen in den Straßen herum.
    »Was kann Aleke dagegen unternehmen? Ob man nun der P. O. ist oder sonstwer …«, sagte Nongwaye Tlume.
    »Er hat gewisse Talente, verstehen Sie.«
    »Rebecca sagt, Sie hätten eine Beinverletzung, James? Lassen Sie’s mich schnell mal ansehen.« Die kleine Edna hatte ihr fließendes Englisch während ihrer Krankenschwesternausbildung erworben und verfügte über das Vokabular von Krankengeschichten. Sie bestand darauf, und er mußte ins Badezimmer, wo er sich die Hose auszog. Er stand in seiner Unterhose da, während sie die Haare wegschnitt und die Schnittwunde reinigte. Er lächelte. »Selbstverschuldet.« »Das sollte unbedingt genäht werden. Sie sollten ins Spital hinaufkommen. Ich könnte es in einer Minute erledigen, aber eigentlich darf ich das nicht.« »Ach, machen Sie doch schon. Sie machen es bestimmt besser als der Doktor.« Sie eilten hinüber ins Haus der Tlumes – fremd mit seinen verschlossenen Türen und Fensterläden mitten am Tag –, und sie holte ihre gebogene Nadel und einen Plastikzwirn; »wie ein richtiger Schuhmacher«, sagte er. Die Nadel durchstieß – rasch-damit’s-wieder-vorbei-ist – den Widerstand der dicken Haut; den Zwirn zog sie fachmännisch durch und fest und schnitt ihn dann ab. Die rosa Handflächen und Nägel der schmalen schwarzen Hände hoben sich schön ab. »Was wird passieren, James? Weshalb kann denn der Präsident dem Ganzen nicht einfach ein Ende machen? Man weiß nicht, was man tun soll. Sie sollten sich einmal die Verbrennungen im Spital ansehen. Rebecca kann froh sein, daß sie sich nicht um die Kinder zu sorgen braucht.«
    Sie ging hinaus, und er zog sich an; er zog seine blutgetränkte Hose umständlich herauf. Und Rebecca war noch immer da, seinetwegen. Die Geschehnisse rissen das Bewußtsein unreflektiert vom einen Augenblick zum nächsten mit, aber das belastete ihn.
    Als er wieder zum Haus zurückkam, spielte Rebecca gerade mit der liebreichen Hingabe eines kinderlosen Erwachsenen mit den Kindern der Tlumes; Kalimo und zwei oder drei Freunde bildeten eine Abordnung, deren Mitglieder die Worte der übrigen mitNicken und tiefem Brummen bekräftigten: Mahlope, der junge Gärtner, war vor einiger Zeit zum Golfplatz gegangen, »um sich umzusehen«, und nicht wiedergekommen. »Es treibt sich eine Menge Gesindel hier herum«, verkündete Kalimo. Aber seine Freunde versuchten ihn davon abzuhalten, daß er dem Jungen nachging.
    »Wenn wir alle anfangen, nacheinander zu suchen, werden wir uns alle verirren, Kalimo«, sagte Bray. Sie unterhielten sich auf gala.
    Ein Zeichen der Zustimmung drang aus den Kehlen der anderen.
    Kalimo sagte: »Der hat sich sicher irgendwo einen Rausch angetrunken, das kenn ich schon. Und wenn’s einen Wirbel gibt, dann ist immer irgendwer in der Nähe, der einem den Lohn klaut.«
    »Um seinen Lohn machst du dir Sorgen?«
    »
Mukwayi
, Sie wissen selbst ganz genau, daß Sie ihm gestern abend den Lohn ausbezahlt haben.«
    »Ich werd später versuchen herauszufinden, was mit ihm ist. Du bleibst hier. Ich brauch dich, Kalimo.« Ein leeres Versprechen, eine kleine Schmeichelei; der alte Mann entfernte sich widerstrebend.
    Bray horchte auf das Geräusch von Alekes Wagen; Hjalmar hielt ihn mit der Beschreibung auf, wie die Männer über den Golfplatz gekommen waren. »… singend, verstehen Sie – es war genau wie zu meiner Studentenzeit in Deutschland, wir sangen die
Internationale
wie Schuljungen und dachten, es kann doch nicht wahr sein, als sie kamen und uns zusammenschlugen.« Er war ganz aufgeregt. »Immer das gleiche – Studenten und Arbeiter sind für die Polizei und die Rowdies gerade das Richtige, um Hackfleisch daraus zu machen. – Sie haben es sich hier geholt wie eine Geschlechtskrankheit oder

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