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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Schürze. Mahlope, der vor seinem Zimmer mit einem Freund schwatzte, winkte strahlend. Rebecca setzte sich bequemer, zündete Zigaretten an. »Mir kommt es so vor, als würden wir
tatsächlich
an den See fahren.«
    So wie der alte Volkswagen Gala hinter sich ließ, so ließen auch sie den ganzen Zorn und die Zerstörung des Landes dort hinter sich. Das bewachte
boma
, die zerstörten Marktstände, die Narben und Blutflecken, an denen die Fliegen klebten und die jene Stellen markierten, an denen es zu Straßenschlachten gekommen war, den schalen Gestank verkohlter Häuser – all das, in dessen Mitte sie gelebt hatten, wurde ihnen unter den Rädern hinweggesogen: Es war, als böte der Schirm von Wald und Bambus zu beiden Seiten der befestigten, feuchten Straße keine Oberfläche,Tumulte widerzuspiegeln, die in der jäh sich entladenden Spannung sichtbar wurden; der Strom war geerdet.
    Er wies auf den Karrenweg, der zu Tippo Tibs arabischem Fort führte.
    »Dahin haben wir’s nie geschafft …«
    »Eines Tages muß ich dich dorthin mitnehmen. Es ist sehr eindrucksvoll.«
    Einige Meilen lang war die Straße leer. Da und dort warteten die üblichen Säcke mit Holzkohle auf Kunden; ein barfüßiger Mann trat aus dem Wald. Wo Regen gefallen war, waren Gruppen von Frauen mit ihren Hacken unterwegs. Nach der Dürrezeit wirkten die vereinzelten Siedlungen dünn und schmächtig. Auf den von Sträuchern bewachsenen Flecken hatten die Regenfälle einer einzigen Nacht ausgereicht, um die wilden Lilien mit ihren Blüten direkt aus dem Sand wachsen zu lassen. Für alles hatten sie Augen; die vergangene Woche wurde zu einem Gefängnis, aus dem sie sich plötzlich befreit fühlten. Sie sprachen miteinander, ließen das Gespräch dann aber wieder versanden; manchmal ließen sie traumverloren die wiederkehrenden Bäume und riesigen Buketts aus Bambus über sich hinwegströmen. Gedanken lösten sich auf und trieben wie Schaumkronen auf einem Meer dahin. Sie lachten beim Gedanken daran, daß der Haushalt nun nur aus Hjalmar und Kalimo bestehen sollte, die beide schweigend ihren privaten Manien nachgingen. »Aber das Heft wird Kalimo in der Hand haben.« »Oh, kein Zweifel. Er wird für Hjalmars Hjalmar Margot spielen.«
    »Irgendwie tut mir Margot einfach leid«, sagte Rebecca. »Ein schwacher Mann kann einen in eine Bestie verwandeln. Selbst ich hab angefangen, Geschmack daran zu finden, den armen alten Hjalmar wegen des Ziegelpflasters ein bißchen zu tyrannisieren.«
    »Selbst du? Du hast doch einen schwachen Mann immer schon auf Entfernung gerochen.«
    »Mmm. Wenn ich mich zu einem hingezogen fühle, dann gibt’s da immer was, das mich vor ihm bewahrt.«
    »Am Anfang, als ich dich kennenlernte – als ich durch andere Leute von dir hörte –, da dachte ich, du wärst ganz der Typ, der ausgenutzt wird. Emotional oder auf andere Weise; von allen. Und deine Freunde waren es, die mir diesen Eindruck vermittelt haben. Vivien war in ständiger Angst um dich.«
    »Naja, ich bin dort unten in ein Schlamassel geraten. Sie haben Gordon nicht über den Weg getraut, keiner von ihnen. Oh, ich wollte sagen, alle
mögen
Gordon immer gut leiden – aber sie waren der Meinung, er behandle mich nicht anständig. Ich wußte, daß ich ihnen leid tat. Sie blieben einfach hartnäckig dabei, daß ich ihnen leid tat. Das war auch der Grund dafür, weshalb ich mich so komisch aufführte; ich kann es nicht erklären, aber als sie sich dann an mich heranmachten – Neil, die anderen –, da bemerkte ich, daß sie glaubten, sie könnten es tun, weil sie
mir gegenüber
kein Risiko eingingen, wenn sie mir zu verstehen gaben, daß es bei ihnen auch nicht so besonders lief. Sie taten mir leid. Ich hatte das Gefühl, es sei egal …« Sie legte eine Hand auf seinen Oberschenkel. »Du magst es nicht, wenn ich darüber rede.«
    »Vermutlich Eitelkeit. Stupide männliche Eitelkeit, unterscheidet sich nicht so sehr von der ihren. Ich sollte mich eigentlich dafür schämen. Ich habe immer an die Freiheit im Sex geglaubt. Nicht, daß ich mich allzuoft ihrer bedient hätte. Aber prinzipiell.«
    Sie lachte. »Mich freut das. Mir würde das gar nicht passen, wenn du mit einem ganzen Haufen Frauen geschlafen hättest.«
    »Obwohl du mit einem Haufen Männer geschlafen hast.«
    »Ich bin nicht so wie du. Bei mir spielt das keine Rolle. Aber etwas gibt’s, das eine sehr große Rolle spielt – ich war, noch bevor es mit dir und mir anfing, zu der Überzeugung gekommen, daß

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