Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
Vom Netzwerk:
ich nicht länger dort unten bei meinen Freunden bleiben konnte. Ich bin nach Gala gegangen, weil ich davon weg wollte.«
    Einen Augenblick danach sagte sie: »Du denkst ans erste Mal, in deinem Wohnzimmer.«
    »Ja.«
    »Du hast recht. Es hat tatsächlich so geschienen, als wäre es wie die anderen Male.«
    »Du wolltest mir zeigen, daß ich dich brauchte, bevor ich noch anfangen konnte, dich zu bedauern.«
    »Das hast du da schon getan. Das arme Mädchen mit ihren Kindern. Und wo bleibt ihr Mann?«
    »Ja, ich hätte dir eigentlich mein Haus anbieten sollen, anstattdich für die Wochen, die du im Fisheagle warst, zahlen zu lassen.«
    »Aber nachdem du hinuntergefahren warst, um mit Mweta zusammenzutreffen, und wieder zurückkamst, da hast du es richtig gemacht. Ab dem Tag, an dem wir zum See fuhren, war alles ganz anders. Ich war anders.«
    »Warst du das?«
    »Du hast mich verändert.«
    »Hab ich dich bekehrt, mein Liebling, ich, dein spitzbäuchiger, alter Liebhaber. Jetzt willst du keine anderen Männer mehr.« Aber er wußte, daß es sie traurig machte, ihn darüber reden zu hören, daß er alt werde.
    »Mit dir zu leben ist anders als alles andere.«
    »Aber das war’s für mich doch auch.«
    »Ach, sag das nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Nicht ›war‹.«
    »Aber Liebling! Ich mein doch bloß die Zeit in Gala, sonst nichts. Küß mich.« Er wandte sich rasch zu ihr hin.
    Sie saß befriedigt da, an seine Schulter gelehnt; sie winkte einer einsamen Gestalt am Straßenrand.
    »Glaubst du nicht, daß du Gordon … nun … ein gewisses Moment der Schwäche verdankst?«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, du hast mir erzählt, er würde nicht im Traum auf die Idee kommen, du könntest dich für andere Männer interessieren.«
    Sie kicherte leise. »Das kommt daher, daß sich Gordon seinerselbst in jeder Beziehung so sicher ist. Gordon ist der Lage stets gewachsen.«
    »Aber das ist Arroganz, Stolz. Du hast bewiesen, daß das seine Schwäche ist, oder?«
    »In gewisser Hinsicht. Aber du sagst, du glaubst an sexuelle Freiheit.«
    »Wir sprechen von Gordon – er sieht es nicht als sexuelle Freiheit, es ist genau das Gegenteil davon – er sieht nicht einmal die Möglichkeit, daß es für dich sexuelle Freiheit geben könnte.«
    »Selbstverständlich war es nicht sexuelle Freiheit. Es war bloß so, daß die ganze Sache nicht so viel bedeutete. Ob er mich nun für unfähig hielt, mich mit anderen Männern abzugeben, oder ob ich nun dachte, es sei egal, ob ich es täte oder nicht – es lief alles aufs gleiche hinaus.« Ihr Gesicht lehnte entspannt und warm an ihm. »Ich bin sehr eifersüchtig auf Olivia. Ich vermute, daß es das ist: Wenn ich an sie denke, dann habe ich ein schreckliches Gefühl.«
    »Weshalb glaubst du, daß du so eifersüchtig bist, wo du doch anders bist als ich mit meiner dummen sexuellen Eifersucht gegenüber anderen Männern?«
    »Ich weiß nicht.« Sie schien in sich hineinzuhorchen, so als erwartete sie von da eine Antwort. »Weil
du
Sex und Liebe nicht voneinander trennst. – Stimmt’s? Wenn du wieder mit ihr schlafen würdest, dann deshalb, weil du sie liebst.«
    Was sie gesagt hatte, beschwor ihm nicht Olivia herauf, sondern Gordon – unter seinen Augen und durch die bereits von Insekten verschmutzte Windschutzscheibe hindurch wurde die Straße unter ihm weggezogen, und es war Gordon, den er sah, wie er schwatzend über den buschbesetzten Streifen zwischen seinem Haus und dem der Tlumes herüberkam.
    »Ich weiß nicht, weshalb – ich fühle mich so herrlich schläfrig. Nicke immer wieder ein bißchen ein.« Sie schlief mehr als eine halbe Stunde, dreißig oder vierzig Meilen lang. Er war ganz ruhig. Es war nicht etwa so, daß er an dem, was er tat und tun wollte, nicht gezweifelt hätte; es schien ihm, als hätte er endlich begriffen,daß man nie darauf hoffen durfte, von Zweifeln frei zu sein, von inneren Widersprüchen, daß dies der Zustand war, in dem man lebte – der Zustand des Lebens –, und daß es keine Tat gab, die davon frei war. Es gab nichts endgültig Abgeschlossenes, solange man lebte, und wenn man starb, dann war das in einem gewissen Sinne eine Unterbrechung. Immer wieder durchlief er in Gedanken die Möglichkeiten, wie er für Shinza rasch Geld auftreiben konnte. Vielleicht würde Shinza – so wie sich die Dinge entwickelten – schon tot sein, bevor er irgend etwas arrangieren konnte; vielleicht würde Shinza über die Grenze ins Exil gehen und Mweta sich noch eine

Weitere Kostenlose Bücher