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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Zeitlang halten. Vielleicht würde es noch mehr brennende Häuser geben, mehr Blut, das leicht wie Hühnerblut vergossen wurde in Kämpfen, deren wirkliche Ursache man nicht verstand und in denen von kleinen Gruppen von Menschen anscheinend sinnlos in Neben-Reaktionen die Leidenschaften des eigentlichen Kampfes ausgetragen wurden, zu dem sie ihre Situation – die Jahre der Sklaverei, die Isolation, die Kolonisation – zwang. Es würde Verschwendung und Verwirrung geben. Er war Partei dabei, hatte teil daran. Die Mittel würden – wie immer – zweifelhaft sein. Er hatte keine anderen anzubieten, die darauf hoffen ließen, das Ziel könne mit ihrer Hilfe erreicht werden, und da er die Notwendigkeit dieses Zieles anerkannte, blieb ihm keine andere Wahl.
    Die Instinkte in ihm, die er immer als seine zivilisiertesten empfunden hatte, waren empört, und für die Werte der Zivilisation – ein Widerspruch in sich – war er nicht bereit, die eigene Haut oder die von anderen aufs Spiel zu setzen. Er war sich (während er an dem hohen Gras vorbeifuhr, das von der Geschwindigkeit des Wagens gestreichelt wurde) bewußt, daß er gegen seine eigene Natur handelte: Etwas mag es wert sein, daß man aufgrund persönlicher Überzeugung seinetwegen Leiden auf sich nimmt, nichts aber ist es wert, daß man um seinetwillen Leid über andere bringt. Wenn Menschen im Namen einer Sache, die nicht die meine ist, töten, dann sind meine Schuhe nicht blutbefleckt; da ist es besser, beiseite zu treten. Statt dessen aber hatteer diese, seine »ureigenste Natur« beiseite geschoben. Entweder es war ein tragischer Fehler oder seine Errettung. Er dachte, ich werde es niemals wissen, obwohl es mir andere Menschen für den Rest meines Lebens sagen werden. Rebeccas Haar flatterte in der Zugluft des offenen Wagenfensters an seiner Schulter. Er fuhr an einem sumpfigen
dambo
vorüber, wo es Witwenvögel gab, die mit ihren langen schwarzen Schwänzen wippten. Auf der Straße lag zusammengerollt eine Schlange, und er wich aus; der nächste Wagen würde sie umbringen. In Gedanken erwog er selbst die Möglichkeit, Mweta ein letztes Mal in der Hauptstadt aufzusuchen. Das Absurde daran war offenbar wie ein Edelstein, der in einen Teich gefallen war und zwischen anderen Steinen wie ein gewöhnlicher Kiesel hin und her rollte. Wenn man ihn herausholte … und selbst jetzt, da Kühnheit die einzige Möglichkeit war, würde Mweta vielleicht auf Shinza zurückgreifen, nicht weil er ein Feind war, sondern seine letzte Chance … Er sah sich wahrhaftig die Stiegen zur roten Ziegelfassade jenes riesigen Hauses hinaufsteigen; er nahm an, das Bild würde verblassen, wie die Silhouette einer aus Besessenheit geborenen Halluzination auf einer leeren Wand verschwand, wenn die Gesundheit zurückkehrte.
    Seine Gedanken eilten kaum je voraus zu Shinza, denn
das
war’s ja, wohin er sich mit der gleichen Unumstößlichkeit tragen ließ, mit der die Straße, auf der er fuhr, die Straße zur Hauptstadt war. Haffajees Reparaturwerkstatt. Und wenn sich Shinza in einem anderen Teil des Landes niedergelassen hatte, so spielte das auch keine Rolle. Er hatte die Liste. Shinza war kein Mann, der von einem abhängig war; eher war es so, daß er sich auf das verließ, was man tun mußte, wozu man innerlich gedrängt wurde. Er wußte, daß man von einem Mann nichts verlangt, was nicht schon in ihm steckte.
    Und wenn Hjalmar im Haus angegriffen wird? – Weshalb sollte das passieren, in Galas Belagerungszustand gab es keine Ressentiments gegenüber Weißen. Aber durch Zufall – jemand, der mit einem benzingetränkten Lappen auf einem Stock indiese anstatt jene Straße einbog; einer von Fieldings Vigilanten, der wegen eines Schattens die Nerven verlor? Aber die Fähigkeit zu überleben steckte zu tief in Hjalmar drin. Der entkam er nicht. Sie äußerte sich in seinem instinktiven Entschluß, sich keinen Zentimeter aus Gala zu entfernen; vor nichts hatte er so viel Angst wie vor seiner Ehe. – Ich werde Margot aufsuchen müssen, dachte er und spürte, wie das Mädchen im Schlaf zusammenschauernd seufzte; ich kann ihr ganz ehrlich sagen, daß er sich ganz gut erholt hat. Obwohl Hjalmars Nervenzusammenbruch den völligen Verlust seines früher leidenschaftlichen Interesses an politischen Diskussionen zur Folge gehabt hatte, so daß sie das, was gerade passierte, immer nur so besprachen, als handelte es sich dabei um etwas so Zusammenhangloses wie eine Reihe sensationeller Vorkommnisse in

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