Der Ehrengast
wimmelnden Parasiten speiste, deren Lebenszweck es war, ihn von innen her aufzufressen und auszuhöhlen; ein Organismus, an dessen Lebensader man nicht herankonnte, weil er aus vielen Bäumen bestand und dessen große Aderstämme in der Umarmung des nächsten, der immer noch die Form von Saft und Faser behielt, langsam verrotteten; ein Ding, das zugleich gigantisch und verkrüppelt war und in seniler Fruchtbarkeit bis in alle Ewigkeit auf den Stumpen und in den Gabeln Früchte hervorbrachte. Aber nur Bäumen genügt es, einfach zu überdauern; Menschen nicht. Kleine Turbulenzen, die von Luftströmungen herrührten, brachten Unruhe in die schwarze Hitze, und irgendwo in ihrem Dickicht klirrten ohne Unterlaß die Baumfrösche. Er hatte diese Nacht tausendmal gekannt.
Er ging in das Haus, stand vor dem Tisch voller Papiere und starrte sie an, entfernte sich wieder und ging ins Schlafzimmer, wo Rebecca bereits mit dem Ausräumen der Schubladen beschäftigt war. Die Taucherbrillen und Harpunen zum Fischen wurden in einer Ecke abgestellt. »Wir können sie in einen dieser großen Wäschekörbe von Kalimo stecken. Ich wäre gern ein letztes Mal an den See gefahren.« Er sagte: »In Sardinien soll man angeblich wunderbar mit der Harpune fischen können.« »Hallo, Sardinien, wir kommen.« Sie schwenkte einen blauen Schnorchel. Sie stand da, als wäre ihr einen Moment lang schwindlig geworden: »Es kommt einem so unwirklich vor, nicht wahr?«
»Ja. Das tut’s immer.« Sehr weit hinten in seiner Erinnerung hatte er diese Kleider in Wiltshire in einen Koffer gepackt. Ein Satz drängte sich auf, idiotisch wie die Zeile eines Schlagers:
Aber du hast um die Taille kaum einen Zentimeter zugenommen
. Genauwie damals verwandelte sich auch jetzt ein Entschluß in jene zunehmende Anzahl kleiner, praktischer Fragen. Er fand einen Korb für das Fischzeug; und dann legte er schließlich doch alle Papiere und Ordner auf seinem Tisch zusammen und suchte irgendwas, in das er sie hineintun konnte. Er hatte da eine dünnwandige Sperrholzschachtel, wie man sie für Teekisten verwendet, die er für geeignet hielt, sofern er sie innen ein wenig sauber kriegen konnte. Er hatte sie umgedreht und schlug mit der Hand auf den Boden; Hjalmar erschien auf der Bildfläche und sah einen Augenblick lang zu, unentschlossen wie jemand, der nicht weiß, ob er helfen oder einen Rat geben soll. »Und wie kommen Sie weiter? Schon fertig?«
Hjalmar setzte sich an den Rand eines alten Verandastuhls, dessen Beine unter seinem Gewicht auseinandergingen. Er sagte schüchtern: »Ich denke, ich bleib hier und paß auf die Sachen im Haus auf.«
Bray entfernte ein altes Etikett von der Box. Ein kleiner Kakerlak flitzte darunter hervor, fiel zu Boden und wurde unter seiner Sohle zertreten. »Ich weiß nicht, wann ich wieder da bin, verstehen Sie.«
»Das geht in Ordnung. Vielleicht komm ich schon bald hinunter. Wenn ich mich einsam fühle oder so. Möchten Sie den Orwell haben?«
»Ach du lieber Himmel, behalten Sie die Bücher. Ich hab sowieso keinen Platz dafür.«
Rebecca kam mit einem Armvoll abgetragener Kindersandalen dazu.
»Worum geht’s denn?«
»Hjalmar hat sich entschlossen, noch eine Weile zu bleiben.«
»Oh, stimmt das?« sagte sie freundlich, ungelenk, damit es weder unvernünftig noch unerwartet erschiene.
Hjalmar lachte kurz: »Klingt vielleicht verrückt, aber Sie wissen ja, ich möchte die Steine unter dem Baum fertig verlegen. Es gefällt mir überhaupt nicht, das unfertig zurückzulassen, verstehen Sie? Danach werd ich mich entscheiden können … wasich als nächstes in Angriff nehme. Nur, das muß ich zuerst erledigen. Dort unten herrscht ein derartiger Schweinestall, mit den Früchten und den Blättern, die auf diesen holprigen Boden fallen. Sind die Steine einmal verlegt, da brauchen Sie’s bloß noch wegzukehren.«
»Das bringt mich auf was – Geld für Mahlope und Kalimo. Wenn ich Ihnen einen Scheck gebe, könnten Sie sie dann vielleicht ausbezahlen? Und bitte – rufen Sie Aleke für mich an, morgen – und sagen Sie ihm, ich hätte mich entschlossen, Rebecca fortzubringen.« Er stellte den Scheck in der Höhe von drei Monatsgehältern für jeden der beiden Bediensteten aus und reichlich darüber, damit der Haushalt noch eine Zeitlang weiterlaufen konnte, aber Hjalmar steckte ihn in seine Brieftasche, ohne einen Blick darauf zu werfen. Bray sah, plötzlich unsicher, was er eigentlich wollte, zum Kasten hinüber. »Hjalmar, wenn
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