Der Ehrengast
brüllten; er wartete ab, fing nochmals zu reden an. Olivia war einmal davon überwältigt gewesen: »Es hat etwas Grauenhaftes – als würden sie ihm irgendein kostbares Sekret abschmeicheln – wie Ameisen, die gefangene Blattläuse streicheln.«
Der Sekretär, Wilfrid Asoni, machte mit professionellem Geschick die Interessen des Präsidenten zu seinen eigenen: »Herr Präsident, es sieht ganz so aus, als hätten wir Colonel Bray die Dienste unseres Freundes Clive hier zu verdanken. Oh, nicht unmittelbar, meine ich, aber dennoch.«
»O nein, es ist die Sphäre deines Einflusses, Mweta«, sagte Bray. »Stell dir vor, wie das erst auf der internationalen Ebene aussehen wird – ich frage mich, ob sich die UNO dessen bewußt ist.«
»Nein, nein, das ist dein Verdienst, James.«
»Nun, selbst wenn du das glauben solltest, sag’s denen nicht. Mit einem Ehemaligen wie mir darfst du nicht zu freundlich umgehen.«
»Aber du warst doch, wie soll ich mich ausdrücken, immer deiner Zeit voraus …«
»… ein vor der Zeit Deportierter auf alle Fälle, meinen Sie nicht, Sir«, fiel Small lachend ein.
»… aber jetzt bist du endlich da, wo du hingehörst,
jetzt
,
jetzt
, und du wirst den Staat gemeinsam mit uns aufbauen. Stimmt’s? – Natürlich!«
Ihre erhobenen Stimmen und ihr lautes Gelächter ließen den hohen, überdimensionalen Raum auf eine angenehme Größe schrumpfen. Wie ein Schleier legte sich blauer Zigarettenrauch vor den Blick, der durch die Balkontüren hinaus auf den Busch im Park wanderte, über dem der ferne Dunst der mittäglichen Hitzelag. Hie und da wurde Brays Aufmerksamkeit im Kontrapunkt zum Gespräch dort hinaus gelenkt; das Flimmern schien sich über sein eigenes Bewußtsein zu legen, es beruhigend, lindernd, einem apathischen Zustand zuzutreiben; das kleine Glück der warmen Klimazonen. Der geschlossenen Männergesellschaft gesellte sich Joy Mweta hinzu, gefolgt, oder richtiger, angeführt, eingekreist und umstürmt von mehreren Kindern und einem tänzelnden Hund. Ein paar Minuten lang herrschte ein Inferno im Raum; Bray hatte zwei der Kinder noch nie gesehen, und zum Zeitpunkt seines Wegganges aus diesem Land war das dritte noch ein Baby gewesen: Sie trugen weiße Socken, und das Elf- und Zehnjährige hatten bereits die Scheu von schwarzen Kindern abgelegt und redeten selbstbewußt mit den Eltern, fordernd und anklagend; nur das Kleine hielt sich am Rock seiner Mutter fest und lugte mißtrauisch hervor. Mweta unterhielt sich mit ihnen auf gala, und sie stürmten hinaus auf die Terrasse; dann aber zog der Hund das schattige Zimmer und den Teppich vor, und der kleine Junge stürmte wieder herein, um ihn zu holen. Bruder und Schwester folgten; Clive Small wirbelte den Kleinen durch die Luft. »An den Beinen! An den Beinen«, bettelten die anderen. »Eure Mutter hat das verboten, Mangaliso, sie hat Angst, ich könnte euch kopfüber fallen lassen, und dann seid ihr auf ewig die Letzten in eurer Klasse.«
»Ich bin der Dreizehnte, und in meiner Klasse sind fünfunddreißig«, erklärte das Kind von sich aus, zu Bray gewandt.
Das kleinste, ein schweratmendes Ding mit feuchten Lippen, runden, abstehenden Nasenflügeln und runden Augen, die aus jedem Gesicht eines schwarzen Kindes einen Vorwurf machen, kletterte an Mweta hinauf.
»Ich hab es dir noch nicht gesagt«, sagte Bray. »Ich bin Großvater geworden. Heute früh hab ich ein Telegramm bekommen. Venetia hat eine Tochter bekommen.«
»Venetia!« Mweta schüttelte den Kopf. »Erinnerst du dich, wie ich sie auf dem Gepäckträger auf dem Fahrrad hinten mitgenommen habe? – Und sie hat immer Plakate für uns gemalt«, erklärteer Joy, die er erst, nachdem Venetia schon in England zur Schule ging, geheiratet hatte. »Ja, dieses kleine Mädchen war schon sehr früh eine Stütze der PIP . Plakate, auf denen Datum und Ort für die Zusammenkünfte angekündigt wurden und so weiter. Und Slogans. Clive, einmal hat sie dem Colonial Secretary ein solches Plakat gezeigt – wer war das noch, James? Ja, richtig – er war damals nach den ersten Gesprächen, die ich mit Shinza in London führte, hier – und natürlich machte er eine Tour durch Gala« – alles lachte – »um sich an Ort und Stelle einmal anzusehen, wo dieser ganze Unfug mit der Unabhängigkeit seinen Anfang genommen hatte, und um diesen Burschen, diesen Bray, unter die Lupe zu nehmen, der dem kein Ende zu machen schien – und nachdem er an diesem Tag im
boma
gewesen war und zum
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