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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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neuer Sekretär, aber außer ihm war noch ein junger Weißer da, der mit der Geschliffenheit und Umgänglichkeit eines Aide-de-camp herumstand. Bray hatte von ihm gehört: Als ehemaliger PR -Mann bei der größten Bergbaugesellschaft war er vor allem eingestellt worden, um Mweta davor zu schützen, von seinen Landsleuten umstandslos aufgesucht zu werden – was für ihn als Parteiführer charakteristisch gewesen war. Noch immer dachten sie, sie könnten einfach zur Tür hereinkommen und mit Mweta reden; kein schwarzer Sekretär konnte hoffen, den energischen Frauen der Kirche von Zion oder den alten Bauern, die etwas auf dem Herzen hatten, erfolgreich Widerstand zu leisten. Sie konnten es nicht begreifen, daß man jetzt schriftlich um eine Unterredung mit dem Präsidenten nachsuchen mußte.
    »Ich schätze mich glücklich, Colonel Bray, ich bin Clive Small, meine Tante, Diana Raikes, war mit Ihrer Frau befreundet, und ich erinnere mich noch, wie sie mir, knapp bevor Sie damals dieses Land hier verließen, aus einem Brief von ihr vorgelesen hat – äußerst beeindruckend. Ich vermute, das war eins der Dinge, die mein Interesse an diesem Land hier weckten – damals war ich noch Student.« Ein goldener Schimmer aus Haaren, die entlang der Augenbrauenlinie und an den Schläfen hell glänzten, umgab die gerötete Stirn des jungen Mannes, der einen schöngeschnittenen Mund und die leicht buschigen, antennenartigen Augenbrauen eines Mannes besaß, den Frauen attraktiv finden. Er trug hautenge Leinenhosen und ein grellrosa Hemd und nahm dem älteren Negerbutler sanft das Hantieren mit dem Martini ab. »Sie wissen, daß ich das gern persönlich besorge, Nimrod. Wir haben jetzt ein neues Arbeitsteilungsprogramm hier.«
    »Der Präsident steht in ein paar Minuten zu Ihrer Verfügung, Sir.« Der Sekretär wandte sich von Bray ab und Small zu, um mit ihm beiläufige, vertrauliche Randbemerkungen zu wechseln, ganz mit dem Gehabe von Leuten, denen der Dunst der Macht und Palastintrigen so sehr zur Gewohnheit geworden ist, daßsie ihn atmen, als wäre er Luft wie jede andere. »Haben Sie sich durchgesetzt?«
    Der Schwarze kicherte, daß etwas anderes gar nicht möglich gewesen sei: »Nun, was hätte er denn sagen sollen? ›Wir bedauern zutiefst‹ – lauter so Zeug.«
    »Der große Mann wird hoch-er-freut sein. Warten Sie’s ab. Erfreut. Und Douglas? Ich wette, daß er sich die Haare rauft. Hm?«
    Als Mweta hereinkam, traten sie zur Seite und lächelten, als hätten sie ihn herbeigezaubert. Er trug die vernünftige, wenngleich nicht ganz stilgerechte Tunika, die die Partei schon vor Jahren übernommen hatte (eine Kreuzung zwischen Mao-Bluse und Buschjackett), aber irgendwie wirkte er elegant. Er war bei Bray, ehe dieser zu ihm konnte. Sie hielten einander an den Händen, wiegten sich fast hin und her, lächelten, Mweta lachte zu ihm hinauf, und die anderen standen lächelnd da. »War auch Zeit, war auch Zeit«, sagte Mweta. »Immer nur quer über einen Raum hinweg, mitten zwischen den Leuten! Kaum seh ich dich, kommt schon ein anderes Gesicht dazwischen.«
    »Es ist komisch, wenn man auf der Straße angehalten wird und sieht, wie du vorbeifährst und uns allen zuwinkst.«
    Mweta zuckte mit den Achseln und lachte wie ein Junge, der ein wenig hatte angeben müssen. »Aber es hat immer dir gegolten, wenn du da warst, James. Du weißt es, es galt ganz bestimmt dir.«
    Der Butler reichte ein Tablett mit Mr. Smalls Martinis und einem Glas frischen Orangensaft für Mweta herum. Und trotzdem hoben sich Stimme und Laune Mwetas, während geredet und gelacht wurde – so als belebte der Alkohol seinen Blutkreislauf ebenso sehr wie den der anderen. Er hatte sich schon immer auf diese Weise aufgeputscht, hatte diese überströmende Lebenskraft an sich gehabt, die die Menschen spontan zu ihm kommen ließ, und die ihre Anwesenheit in ihm auslöste. Vor Jahren mochte er auf seinem Fahrrad in einem Dorf aufkreuzen, und ehe er noch nach dieser Fahrt dazu gekommen war, Atem zu holen, stand schon eine Gruppe im Kreis um ihn herum, und seineStimme übertönte alle, hielt sie fest. Später dann, wenn er zwei Stunden lang auf einem Fußballplatz geredet hatte, glänzte sein Gesicht, und eine Menschenmenge, eng aneinandergedrängt wie die Zellen eines Organismus, ein Ungeheuer im Eingang seiner Höhle, rief donnernd seinen Namen: MWETA . Er verfeinerte die Technik der langen Pausen, die dem anschwellenden, jubelnd widerhallenden Echo Zeit ließen. Sie

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