Der Ehrengast
Haus des Bezirkskommissars zum Lunch zurückfuhr, fragte er dieses kleine Mädchen, die Tochter des Bezirkskommissars, was ist denn das für ein hübsches Bild, das du da malst, und Venetia sagte darauf, das ist kein Bild, das ist ein Plakat, schau doch! Und wofür ist es, kleines Mädchen? Siehst du das nicht? sagte sie. Natürlich für die Kundgebung der PIP !«
Bray nickte und lachte.
»Sie war stolz auf ihr Bild, was?« sagte Mweta. »Warum nicht?« Und wieder lachten sie alle, und dann bekamen sie Brays Version der Geschichte zu hören, die Mweta, der mit jeder neuen Wendung noch euphorischer wurde, immer wieder durch Einwürfe unterbrach.
»Jahre danach«, sagte Bray, »nahm mich Venetia einmal zur Seite und bat mich, ganz im Ernst, ihr die Wahrheit zu sagen: Hatte sie nun teilweise an meinem Rausschmiß schuld oder nicht? Sie sagte, sie habe schon darüber nachgedacht, seitdem sie erwachsen sei, es liege ihr auf dem Gewissen.«
In einer Gefühlsaufwallung zog Mweta seine Augen zusammen. »Venetia! Sie
muß
mit ihrem Mann herkommen, nicht wahr, James? Schon bei den Unabhängigkeitsfeiern hätte sie mit dabeisein sollen.«
»Wie wär’s mit einem Photo?« sagte Small zu Asoni. »Wilfridist ganz verrückt danach, seine neue Kamera auszuprobieren, Sir.«
Alle trotteten sie hinaus auf die Terrasse; die Hitze schien sie kleiner zu machen, ihre Stimmen schlugen gegen die Fassade des Hauses. Bray und Mweta standen beisammen, Bray verlegen und nach vorne geneigt, Mweta lächelnd, eine Hand auf seinem Arm. Der Hund lief durch das Bild. Der Sekretär machte noch eine Aufnahme. Und dann eine mit Joy und den Kindern; sie stellten die Füße zusammen und verschränkten die Arme.
»Wir kriegen eine Schaukel und eine Rutsche«, sagte Mangaliso.
»
Und
eine Dschungelsporthalle.« Es war das erste Mal, daß der Kleine Bray anredete.
»Die Prinzessin hat es gesagt.«
Joy lachte. »Ja, die Prinzessin hatte lauter so gute Einfälle. Sie hat mir für alles, was ich tun soll, genaue Anweisungen gegeben. Sie hat gesagt, wir sollten einen Teil des Gartens durch eine Mauer abteilen und ihn speziell für die Kinder herrichten, mit Schaukeln und so weiter. Weißt du, ich meine, sie ist es gewöhnt, in solchen Häusern zu leben. Sie sagte, sie müssen irgendwo ihren privaten Bereich haben.«
»Oh, sie waren ein Herz und eine Seele«, sagte Mweta.
»Joy kennt sämtliche Geheimnisse des Buckingham Palace.«
»Unsinn, sie wohnt ja nicht mal da.«
»Und mit der Frau des chinesischen Botschafters hat sie sich ebenfalls dick angefreundet. Sie spricht recht gut Englisch.«
»Sie möchte, daß ich nach Peking komme, um über die Stellung der Frau in Afrika zu sprechen«, sagte sie herausfordernd zu ihm, während sie Bray zulächelte.
»Joy war immer schon eine große Stütze«, sagte Bray.
»Genau das sage
ich
ihm die ganze Zeit.«
Die Kinder hatten Schuhe und Socken ausgezogen; im dichten Flaum des Babykopfes hatten sich Grashalme verfangen. Kaum war an seiner Hose ein verräterischer feuchter Fleck aufgetaucht, trocknete er auch schon wieder in der Hitze aus. Einer der weißlivriertenDiener stand im Schatten des Hauses herum, um zum Lunch zu rufen, fand aber nicht die Gelegenheit, irgend jemandes Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Der Sekretär und der PR -Mann fummelten an der Polaroidkamera herum. Dann kam das Bild zum Vorschein, und alles drängte hin, um es zu sehen. In diesem Augenblick gesellte sich eine Frau mit blondem Babyhaar, das in dünnen Löckchen oben auf ihrem Kopf festgesteckt war, zur Gruppe. Wie viele Frauen verriet sie ihren Jahrgang dadurch, wie sie geschminkt war: der Bleistiftstrich der Brauen à la Marlene Dietrich auf der glatten, feinen, englischen Haut über den beiden blauen Augen, die gut gepuderte Nase und der fuchsienrote Mund. Sie war ganz in Marineblau und trug knapp unter einer Schulter eine kleine Diamantbrosche. Bray wurde Mrs. Harrison vorgestellt, und es folgte der schnelle, geflissentliche Austausch von Höflichkeiten, wie er bei Menschen Sitte ist, die dieselben gesellschaftlichen Konventionen im selben Jahrzehnt und Land erlernt haben. Mweta, Bray und Joy tratschten über die Unabhängigkeitsfeiern; die Kinder umsprangen im Kreis Wilfrid Asoni und Small und langten nach der Kamera. »Warte, warte, Mangaliso – möchtest du, daß ich ein Bild von dir mache? Nicht einmal mit Bimbo?«
Die hohe, klare Stimme der Engländerin, Mrs. Harrison, segelte dazwischen: »Kinder – ich frage
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