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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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bewegte, stießen Freunde von Freunden, die sich sogleich wieder auf den Weg zu neuen Projekten oder Stellen in den verschiedenen Landesteilen aufmachten; es war viel von Finanzierung die Rede, von Ausstattung,dem vorhandenen oder fehlenden Mitarbeiterstab, mit dem die Leute auszukommen haben würden. Bray war bloß ein weiterer, der zu dieser Sorte Menschen zählte, und er wußte noch nicht genau, wie er das, was von ihm erwartet wurde, in die Tat umsetzen sollte, und das ohne alle Gewähr, daß ihm irgendwelche Mittel zur Verfügung stehen würden. Die meisten glaubten, seine Stelle sei von Anfang an eingeplant gewesen; niemand schien sich noch daran zu erinnern, daß er eigentlich schon auf dem Heimweg gewesen war. Aus dem Abschiedsumtrunk, zu dem Roly Dando eingeladen hatte, war bloß ein weiteres Treffen draußen in Dandos Haus geworden.
    Am Tag der Ankunft des Briefes hatten Bray tiefe Zweifel gequält, als er sein Zimmer im Garten betrat. Hätte er ihn nur drei Tage später erhalten, wäre er schon wieder weg gewesen. Und niemals hätte er sich durch ihn zur Rückkehr bewegen lassen.
    Mweta war auf einer Konferenz mit Kenyatta, Kaunda und Nyerere, und so sah er ihn nicht wieder. Nachdem er mit dem Erziehungsminister gesprochen, die Richtlinien für seine Arbeit diskutiert und mit ihm vereinbart hatte, daß er sich innerhalb der nächsten zwei Wochen nach Gala aufmachen würde, schrieb er an Olivia. Er ließ sie wissen, er »vermute«, die Stelle sei eigens für ihn geschaffen worden; ihr mitzuteilen, daß es sich dabei um eine Aufgabe handelte, die getan werden mußte, und daß er vielleicht besser für sie geeignet war als die meisten, war unnötig – sie würde das ebensogut wissen wie er. Er witzelte ein wenig darüber und schrieb, er habe versprochen, es einmal auf sechs Monate oder so probeweise zu versuchen, lange genug jedenfalls, um alles eingehend zu prüfen und eine Art vorläufigen Bericht zu verfassen. Er sollte ein Haus der Regierung bekommen – zurück zur alten »Grundausstattung« an Möbeln also. Sobald er es bewohnbar gemacht hätte und mit seiner Arbeit hier weitergekommen wäre, würde sie nachkommen. Venetia würde man dann doch sicherlich schon zumuten können, mit dem Baby allein fertig zu werden? – Eines teilte er ihr allerdings nicht mit – daß er schon einen Flug nach England gebucht hatte, als Mwetas Brief kam.

TEIL ZWEI

 
     
    BRAY KAUFTE – von jemandem, der »machte, daß er rauskam« – einen gebrauchten Volkswagen und fuhr hinauf in den Norden, um seine Stelle anzutreten. Er verließ die Hauptstadt an einem grau verhangenen Morgen, aus dem ein heißer Tag werden würde; Roly Dando war ins Büro gefahren, aber Festus stand, die Kochhaube auf dem Kopf, mit dem Gärtnerjungen dabei und sah zu, wie er abfuhr. Vivien Bayley hatte ihm alle Penguins geschenkt, die sie in der örtlichen Buchhandlung finden konnte:
Das Tagebuch eines Niemand, Die Drei Cäsaren, Der Zug nach Stambul, Les Liaisons Dangereuses, Die Pest
– »Also, ich denke immer, man möchte Sachen lesen, die man kennt, wenn man irgendwo weit weg allein lebt.« Sie lagen in einem Korb auf dem Rücksitz neben einer Flasche Whisky und ein paar Ordnern, die in letzter Minute aus dem Erziehungsministerium gekommen waren. Er verließ die Stadt auf der Hauptstraße und sah Mrs. Evelyn Odara, die ihren Wagen vor dem neuen Postamt einzuparken versuchte, und eine Reihe anderer Leute, deren Gesichter ihm nun vertraut waren, und die ihren täglichen Geschäften nachgingen. Die Händler, die Holztiere verkauften, polierten diese unter den Flammenbäumen auf; die Arbeitslosen boten Plastiktüten mit Tomaten an. Als sich die Stadt zu den Goldminen hin entwirrte, fuhren Lastwagen, beladen mit Betonröhren und Baumaterialien, mit aus Tiefkühlkammern kommenden, steifen Schweinekörpern und Lattenkisten der Brauerei schwankend an ihm vorbei. Dann kamen die gestalteten Zufahrten zu dem Areal, das zu den Bergwerken selbst gehörte, lauter blumengeschmückte Verkehrsinseln, Verkehrszeichen, Beete mit Cannas und Rosen, und schließlich die Zeilen aus buntgekalkten Kuben, in denen die schwarzen Bergarbeiter untergebracht waren – ein geometrisches Muster, in das die Strubbelköpfe der Papaubäume, rauchende Kamine, Wäscheleinen, Schlingpflanzen und kleineMaisfelder hineingekritzelt waren, und das durch den Lärm und das Hin und Her der Leute unterbrochen wurde. Nach zwanzig Minuten lag all das weit hinter ihm; er fuhr am Bush Hill

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