Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
Vom Netzwerk:
alles beigebracht, und – weil die Vergangenheit ist, was sie ist, ich bin der letzte, der das abstreiten würde. – Aber ich weiß einfach nicht, was es sein kann, und da liegt mein Problem.«
    »Er ist ein brillanter Kopf.«
    »Glaubst du das immer noch?«
    »Na, komm, das weißt du doch selbst.«
    »James«, sagte Mweta und gab deutlich zu erkennen, daß er es sagte, um ihn zufriedenzustellen, »was kann ich Shinza denn anbieten? Denkst du an den Posten eines Unterstaatssekretärs oder ähnliches? Das ist nämlich alles, was ich habe. Und es wäre nicht das, was
er
will. Er möchte die Welt verändern und mich und dieses Land dazu benutzen, egal, was in der Zwischenzeit mit dem Land passiert. Ich kann ihn zum Unterstaatssekretär machen – mehr nicht.«
    »Das
kannst
du nicht tun.«
    Mweta öffnete seine festgeschlossenen Lippen, schloß sie aber wieder, ohne etwas gesagt zu haben.
    »Ich würde dazu neigen«, sagte Bray und hörte gleichzeitig, daß es päpstlich-sanfter klang, als ihm lieb war, »für ihn irgendeinen Sonderposten zu finden, auf dem er nichts unmittelbar mit den Regierungsgeschäften zu tun hat, sondern auf dem seinem Anspruch, ein älterer Staatsmann im Ruhestand zu sein, Genüge getan wird. Hm? Ich hätte mir gedacht, daß er sich beispielsweise verdammt gut als Vertreter bei den Vereinten Nationen gemacht hätte. Vorläufig.« Er war weiterhin ganz altmädchenhafte Gefaßtheit, während Mweta ihn erstaunt und bitter anstarrte. »Unser Gesandter bei den Vereinten Nationen? Edward Shinza? Nach all dem, was er gesagt hat? Nach all dem, was er zum Commonwealth-Minister gesagt hat? Sein sogenannter Minderheitenbericht anläßlich der letzten Konferenz, keine sechs Monate vor der Unabhängigkeit? Nach all dem, was wir von ihm hinnehmen mußten?«
    »Mach ihn zum Sprecher der Mehrheit, und du wirst sehen. Du redest geradeso, als hätte er eine rivalisierende Partei gegründet.«
    »Er führt sich so auf, als hätte er’s getan! Viele sind der Meinung, es wäre besser, er hätte es tatsächlich getan! Wäre offen damit rausgekommen!« Mweta ebnete jetzt mit seiner Ferse einen Maulwurfshügel ein. »Wie lästig diese Dinger sind. – Wenn er endlich aus seinem Schmollwinkel da unten bei ihm zu Hause rauskäme, gut, dann … Es liegt bei ihm …«
    »Ich hoffe, du läßt nicht zu, daß er weiterschmollt.«
    »Hast du ihn getroffen, James?«
    »Ich weiß nicht, ob sich die Gelegenheit dazu ergibt. Ich konnte einfach nicht glauben, daß er bei den Unabhängigkeitsfeiern nicht hier sein würde.«
    Mweta hob die Schultern; plötzlich appellierte er an Bray: »Wir müssen alle paar Wochen so miteinander reden wie jetzt. Wir werden daraus eine ständige Einrichtung machen.« Sie hatten sich wieder zum Haus zurückgewandt, das rot und mächtig hinter den verschwommenen, vagen Umrissen des Buschs emporragte.
    »Aber mein lieber Adamson, ich werde in Kürze heimfahrenmüssen. Ich hatte gedacht, vielleicht nächste Woche. Ihr alle macht euch wieder an eure Arbeit, höchste Zeit, daß die Gäste sich empfehlen.«
    Wieder blieb Mweta stehen. »Heim? – Aber du bist doch daheim.«
    »Ich wüßte nicht, was ich tun könnte, wenn ich dabliebe«, sagte Bray lächelnd.
    Die Konvention konnte es beiden leichtmachen; sobald sie diesen Punkt erreichten, brauchten sie nur höflich vorzuschützen, Bray habe in sich nie etwas anderes gesehen als einen Besucher, und Mweta habe für ihn von vornherein eine Stellung als das oder jenes eingeplant. Es war so leicht, so verführerisch – er sah zu dem häßlichen Haus hinüber, das sich vor ihnen auf dem Weg aufbaute –, um die Vergangenheit, die sie miteinander wie eine Wohnung geteilt hatten, ließ sich ebenso leicht ein Bogen machen wie um ein monumentales Bauwerk.
    »Nein, nein, jetzt ist aber …«, sagte Mweta mit einiger Mühe, wie er vor Jahren über jemanden im Colonial Office gesagt hätte: »Die sollen mir ja nicht englisch kommen.« Und brummend sagte er: »Was tust du denn in Wahrheit da oben in England?«
    »Zugegeben, wahrscheinlich ist es eine Art Faulenzerleben – ist ganz erstaunlich, wie schnell man sich daran gewöhnt, fast nichts zu tun …« Bray drehte die Frage so, daß sie wie ein Vorwurf erschien, dem er freudig beipflichtete; es dem anderen leichtzumachen – das war Teil des Spiels.
    Mweta antwortete nicht und gab damit zu verstehen, daß er sich von dieser Art Geschwätz nicht berühren ließ. Aber er selbst machte es auch nicht viel besser; mit

Weitere Kostenlose Bücher