Der Ehrengast
der Garten, einfach wunderbar! Mrs. Brays Garten. Und wie hieß noch die andere Dame – Mrs. Butterworth? O ja, was für nette Damen. Wissen Sie noch, daß sie die erste Frau war, für die ich eine Hose gemacht habe? Ich sagte, aber Mrs. Butterworth, Madam, ich hab noch nie für eine Dame gearbeitet. Aber das war eine Frau, die will haben, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, wissen Sie. Sie können es, sagte sie, Sie können es! Und Mr. Playfair. Hat dies Jahr wieder die Golfmeisterschaft gewonnen. Er ist noch hier, und Mr. LeRoy, und die Andersons oben im Club – Mr. Anderson ist immer noch der Vorsitzende des Komitees, sie geben noch in diesem Monat eine Vorstellung. Ich glaube, daß es wieder Mr. Parsifal ist, der das Ganze arrangiert, sie wissen, was für ein kluger Mann das ist …« Er erging sich in sämtlichen Details der Aktivitäten der weißen Kommune, an denen er niemals Anteil gehabt hatte. »Oh, es ist noch eine ganze Menge aus den alten Zeiten da«, sagte er verheißungsvoll. »Sie werden sehen, Colonel …« Es war nicht so, daß er vergessen hatte, daß es diese Leute gewesen waren,die die Entfernung Brays aus dem Colonial Office verlangt hatten, im Gegenteil, er erinnerte sich nur zu gut daran – es war seine Art, mit Geschehenem umzugehen: Er schützte sich und andere vor Gefahr, indem er sich gleichzeitig nach allen Seiten hin verbeugte.
Die meisten weißen Geschäftsleute des Ortes begrüßten Bray mit professioneller Fröhlichkeit, die ein gleichsam steinernes Antlitz verdeckte. Auch sie hatten nicht vergessen; aber er war auch ein potentieller Kunde. Er war sich über seine »Position« unter ihnen nicht im klaren; die Vergangenheit mit ihrer Beziehung zu Mweta und Shinza bedeutete ihm etwas, und die Zukunft des Landes, aber seine Vergangenheit hinsichtlich seiner Schwierigkeiten mit dem Colonial Office und den Siedlern war nichts als ein überstandener Konflikt, in dem beide Seiten – durchaus angemessen – gemäß ihren Überzeugungen in einer bestimmten historischen Situation agiert hatten, eine Situation, die nicht mehr existierte. Weder objektiv noch auch für ihn; er war fortgewesen und, frei von ihr, zurückgekehrt. Daß er in seinen ehemaligen Distrikt geschickt worden war, das schien ihm ohne besondere Bedeutung zu sein, außer daß man vernünftigerweise den Umstand, daß er die hiesige Sprache beherrschte und die Menschen hier kannte, berücksichtigt hatte; er sah sich nicht als jemanden, der an einen Ort, von dem man ihn vertrieben hatte, zurückgekehrt war – welche Beziehung zur Gegenwart hätte ein derart billiger Triumph gehabt?
Aber für die Leute, die hiergeblieben waren, war er nicht
wieder
da, sondern
zurück
gekehrt; er, dessentwegen man vor zehn Jahren in eben jenem Hotel, in dem er jetzt wohnte, eine Versammlung veranstaltet hatte, er, wegen dessen Entfernung aus dem Amt man an den Gouverneur ein Petitionsschreiben gerichtet hatte. Am ersten Samstagvormittag im Dorf wurde ihm das klar; ein Ärgernis, mehr als alles andere. Sie kamen in die Stadt, um wie immer ihre Besorgungen zu machen, und er bewegte sich, allein, unter ihnen. Sie grüßten ihn, blieben sogar stehen, um mit ihm zu reden, Frauen mit ihren Einkaufskörben oder Männermit Bierdosenpackungen, die sie zwischen Daumen und Zeigefinger gehakt hatten, und machten von den konventionellen Floskeln ihres gemeinsamen englischen Hintergrundes Gebrauch, um dann bei der ersten Pause zu sagen: »Also dann – bei Alcock werden sie mir kein Hähnchen aufheben, wenn ich nicht zusehe, daß ich eins kriege«, oder: »Robert steht sich vor dem Postamt bestimmt schon die Beine in den Leib – besser, ich mach mich auf die Beine«, aber sie machten ihm (der nicht eitel und deshalb absolut nicht leicht in Verlegenheit zu bringen war) bewußt, daß sie mit ihm
konfrontiert
waren. Er hegte keinerlei Groll gegen sie. Das aber war, wie er mit einem leicht erschöpften und amüsierten Lächeln über sich selbst und sie konstatierte, untragbar – falls man es herausfinden sollte.
In einem ersten Brief nach Gala hatte Olivia geschrieben: »Es muß ein eigentümliches Gefühl gewesen sein, das alte Haus zu sehen!« Aber er hatte sich noch nicht einmal dazu aufgerafft, die Straße zur häßlichen Residenz hinaufzugehen, die in seiner Erinnerung nicht so sehr als ein Ort existierte, wie als ein Innenleben, das von Erfahrungen, die er dort gemacht hatte, ausgehöhlt worden war. Eines Tages würde er hingehen und Mr. Alekes
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