Der Ehrengast
müssen.«
»Wenn wir das Geld tatsächlich haben«, sagte Sendwe zufrieden.
»Unterstützt Sie das Erziehungsministerium bei Ihrem Studium? Woher kommen diese Papiere, die Sie mir gezeigt haben, von einem – Fernkurs?«
Er schüttelte den Kopf und hustete. »Ich bezahle selbst – aus London.«
Die Veranda leerte sich, und Wagen fuhren davon, obwohl ein harter Kern lautstarker Trinker in der Bar zurückblieb. Mrs. Pilchey kam hoheitsvoll über die Veranda gesegelt. »Hat denn heute abend niemand die Absicht zu essen?« sagte sie an alle gewandt. Sie war in der Nähe von Bray, und höflich erhob er sich halb von seinem Sitz. »Ich ganz bestimmt. Wird nicht mehr lange dauern.«
Sendwe stand auf. Sie sah ihn an. »Na, und war das Schaf ein Erfolg?« fragte sie mit ihrer lauten Stimme.
»Oh, Sie kennen Mr. Sendwe schon, Mrs. Pilchey …«
»Natürlich kenn ich Sendwe.« Des Lehrers Hand tastete nach dem Hut und nahm ihn mechanisch vom Stuhl. Er stand in seinem Mantel da, und in den gleißenden Strahlen, die vom kugelförmigen Verandalicht herabfielen, waren die Augen in seinem hageren, schwarzen Gesicht unsichtbar. Er sagte: »Oh, Madam, ich muß mich bei Ihnen bedanken. Es war sehr, sehr freundlich. Aber ich war ständig krank seit damals.«
Sie verharrte in der Stellung eines Menschen, dem jemand auflauert. »Waren die Feiern zuviel für Sie, hm?«
»Ich habe einen ganz schlimmen Husten«, sagte er.
Und als sie ging, nahm er sich zusammen und rief ihr nach: »Die Kinder waren sehr, sehr glücklich über das Fleisch. Ich danke Ihnen vielmals.«
»Ist schon in Ordnung«, sagte sie energisch und in einer höheren Tonlage, und schweren Schrittes war sie auch schon wieder gegangen, leicht zur Seite geneigt, wie jemand, der schon zu viele Jahre auf den Beinen war.
Er saß da und lächelte. »Es war ein ganzes Schaf«, sagte er. »Das Hotel hat es der Schule zu den Unabhängigkeitsfeiern geschenkt. Oh, das war ein sehr nettes Geschenk. Oh, was warendie Kinder glücklich.« Wieder hustete er, trank etwas Bier und hustete weiter. Als er wieder bei Atem war, sagte Bray: »Wie wär’s jetzt mit dem Dinner? Was sagen Sie?«
»Ich hab schon gegessen.«
»Bestimmt? Haben Sie jetzt gar keinen Appetit auf irgend etwas?«
»Nein, seit ich wieder diesen Husten habe, bin ich nie mehr hungrig.« Noch immer war er wegen des Hustenanfalls ganz außer Atem.
Bray sagte: »Tun Sie was dagegen?«
»Ich war wieder in der Klinik. Die sagen, ich muß mich im Krankenhaus untersuchen lassen.« Er nannte den Namen des Tuberkulosespitals in der Hauptstadt. Er hielt drei Finger in die Höhe. »Vor drei Jahren war ich siebzehn Monate lang dort. Aber sie haben mich geheilt. Es ist jetzt erst wieder diese zwei, drei Wochen, daß ich diesen schlimmen Husten habe. Ich bin nicht hungrig.«
»Ich verstehe. Also gut, trinken wir noch ein Bier.« Aber sie setzten sich nicht mehr hin. »Und wann fahren Sie?«
Der Mann lächelte. »Es ist sehr weit.«
»Aber Sie sollten nicht damit warten.«
»Wenn ich die Abschlußarbeit geschrieben habe«, sagte er. Das Gefühl, daß die Unterredung beendet war und er nicht wußte, wie er sie abschließen sollte, ohne mit leeren Händen wieder weggehen zu müssen, schien ihn zu verwirren. »Sir, ich möchte Sie bitten, mir über meinen jüngeren Bruder eine Nachricht zukommen zu lassen. Er möchte Landwirtschaft studieren – so wie die Europäer sie betreiben. Er arbeitet draußen auf der Farm von Mr. Ross, und Mr. Ross ist sehr nett, er bringt ihm alles bei, während er dort arbeitet. Jetzt hat er schon lange den Wunsch, auf die Landwirtschaftsschule zu gehen, haben wir gehört. Wenn Sie mir doch bitte die Formulare für ihn schicken könnten – ich könnte ihm helfen, alles auszufüllen … eine Bewerbung zu schreiben … Wenn Sie mir nur die Formulare schicken würden …«
Bray erklärte, er fahre nicht in die Hauptstadt, sondern nachNorden, aber er würde dafür sorgen, daß man ihm die Bewerbungen für die Landwirtschaftsschule zusenden würde. Die Gestalt im Armeemantel verschwand im Dunkel, vom Licht, das aus dem Hotel auf sie fiel, einen Augenblick lang diagonal in zwei Teile zerschnitten. Bray wandte sich zum Speisesaal um, wo ein paar Männer mit dem Gusto alter Freunde aßen und miteinander plauderten. Das Stampfen der nackten Kellnerfüße erschütterte die Fußbodenbretter; er bestellte eine halbe Flasche Wein, zog wahllos einen Bericht aus dem Ordner, den er immer noch bei sich hatte,
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