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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Handel getrieben worden), und die gleichen englischen Ladies hatten ihn durch ein kleines, gepflastertes Geviert, an dessen Geländer eine Plakette mit einem Wilberforce-Zitat angebracht war, geschützt. Er stand im unteren Teil des Dorfes, wo, wie Bray herausfand, seit seinem letzten Aufenthalt hier die ersten Schritte zur Industrialisierung getan worden waren. Jetzt lungerten dort junge Arbeiter aus der Fischmehlfabrik und dem Kalkwerk herum, würfelten und ließen leere Kartoffelchipstüten zurück.
    Seine große Erscheinung in dem grauleinenen Buschjackett und in Hosen, die er in der Hauptstadt aufgetrieben hatte, eilte geschäftig die Straße auf und ab, aus Sonne und Schatten in das Innere der Läden und aus ihnen wieder heraus auf die Straße. Er wurde bestürmt von den vertrauten Gerüchen – Kattun, Wachs, Hirse, Säcke voll getrocknetem
kapenta
mit der blechernen Schöpfkelle zwischen den muffig riechenden, kleinen Fischen; das alte Gefühl, wie die ausgestreuten Zuckerkörnchen und der geschrotete Mais zwischen den Schuhsohlen und dem rissigen Betonboden knirschten. Im Schneiderladen die Süße des Kardamoms, das zwischen Stoffballen und glitzernden Stoffutterschnipseln aufgehängt war. Die gleichen gerahmten Bilder, auf denen Männer aus der Zeit Edwards VII. mit langen Zigarettenspitzenund Gehstöcken abgebildet waren; eine Photographie von Mweta in seiner Toga neben der alten von der Queen. Joosab und sein Sohn Achmed waren beinahe die ersten Bekannten aus den früheren Tagen, mit denen Bray sprach. (Das Hotel hatte den Besitzer gewechselt; im Postamt arbeiteten jetzt Schwarze.) Joosab war ein blasser, fetter Mann in Hemdsärmeln, der das Maßband über seiner ärmellosen Weste wie einen Orden trug. Sein sanftes Lachen war beinahe lautlos; er stand da, neben ihm Achmed, der dünn und dunkelhäutig zu einem Mann herangewachsen war, seiner Mutter, wie Bray sich erinnerte, ähnelte, und jenen besessenen, etwas verrückten Gesichtsausdruck besaß, der tiefschwarzen Augen mit Silberblick eigen ist.
    »Der Colonel, es ist der Colonel, Sie sind zurückgekehrt …« Joosabs helle Augen flitzten herum, wurden feucht und tanzten, wie die eines Mädchens, das verlegen ist. »Mein zweiter Sohn, Achmed … erinnerst dich nicht mehr an den Colonel (er war ein kleines Kind, hm, Colonel) … Colonel Bray? Natürlich erinnerst du dich! Der Distriktskommissar, und Mrs. Bray – ach, war das eine freundliche Dame!«
    Das dichte, glänzende, glatte Haar schien auf dem Kopf des Jungen auf und ab zu wippen – eine Geste sprachloser Verlegenheit, mit der er reagierte.
    »Ach, der Colonel … ach, freuen wir uns, daß Sie wieder da sind. Wie oft hab ich zu meiner Frau gesagt, einen Gentleman wie den Colonel kriegen wir nie mehr! Ja, Mr. Maitland, er ist gekommen, als Sie weggegangen sind, er war ein netter Herr, o ja. Und dann Mr. Carter, und dann war noch Mr. Welwyn-Jones da. Aber nicht lange, ich glaub, nur so fünfzehn Monate war er da … ach, der Colonel …«
    »Und wie ist’s Ihnen ergangen, Mr. Joosab, wie sieht’s hier aus?«
    Noch immer lachte er lautlos, und wie das Mitglied eines Empfangskomitees breitete er seine weichen Hände aus.
    »Oh,
ganz gut
, ja, ich kann sagen, ganz gut« – er unterdrückte ein winziges, kokettes Achselzucken, so als wäre ihm beinahe einGeheimnis entschlüpft – »natürlich geht alles ein bißchen drunter und drüber, das Geschäft ist ein klein wenig zurückgegangen, oh, das ist natürlich nur logisch, Colonel. Nicht, daß ich mich beschweren würde – verstehen Sie? Unsere Gemeinde steht hundert Prozent hinter der Regierung. Wir leisten unsere Beiträge für die Parteikasse – voriges Jahr über fünfhundert Pfund. Und wir haben die Versicherungen des Präsidenten – ja, die haben wir. Natürlich sind eine Menge Leute weggezogen – wissen Sie, die ehemaligen Regierungsleute, alle fort. Oh, ich weiß, wie denen zumute ist – ich kann’s mir vorstellen. Dr. Pirie und Mrs. Pirie – sind nach England zurück, haben ihren Besitz verkauft. Vor ein paar Jahren hat er ein reizendes Haus gebaut, direkt am See, als er in Pension ging, wissen Sie. Aber jetzt wollen sie natürlich nicht bleiben, ist ja klar … Warum sollten sie auch? … In Ihrem Haus oben« – er meinte den Sitz des Distriktskommissars – »da ist jetzt Mr. Aleke und seine Frau mit ihren sieben oder acht kleinen Kindern. Ja. Sah damals wundervoll aus, das Ganze, wie Sie und Mrs. Bray dort wohnten, Colonel –

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