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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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staubigen kleinen Fuß hinunter. Der Junge war gegen eine niedrige Hecke aus immergrünem Christusdorn gefahren, die säuberlich an der Einfahrt zum
boma
entlanglief. Alle
bomas
im Land hatten Christusdornhecken, so wie jedes Büro einen verstellbaren Lehnstuhl und ein Standard-Tintenfaß besaß. »Schau dir das an«, sagte Aleke auf gala. »Steckt tief drin. Was für ein Kraut.«
    »Warum lassen Sie’s nicht ausgraben, dann sind Sie’s los«, sagte Bray.
    Einen Augenblick lang schien Aleke unsicher, so als überlegte er, was an diesem Vorschlag so unmöglich war. Dann faßte er sich wieder und sagte auf englisch: »Sie haben verdammt recht. Ich möchte, daß das Zeug da wegkommt.«
    »Sie könnten ja Eiskraut anpflanzen«, sagte Bray. Aber mit der einen Hand hielt Aleke das Dreirad an der Lenkstange, mit der anderen stützte er sein Kind, das übertrieben auf einem Bein hüpfte: »Au, au!«
    Man brauchte einen Ort bloß einmal verlassen zu haben und wieder an ihn zurückzukehren, und schon hatte er etwas Heimatliches. Zu Hause kam Bray durch die Küche und bat Mahlope, seine Sachen aus dem Wagen zu holen; Mahlope hatte einen Freund bei sich, der sofort aufstand. Bray erwiderte den Gruß und nahm plötzlich eine außergewöhnliche Spannung in seinem Rücken wahr. Daß er vorbeigegangen war, hatte eine Sensation ausgelöst; unwillkürlich machte er eine Bewegung, so als wollte er sich vergewissern, ob nicht irgendein schockierender Zettel an seinem Rücken hing. Das Gesicht starrte ihn an, blind vor Erwartungund Angst, enttäuscht zu werden. Um ein Haar hätte es diese Enttäuschung gegeben; dann aber war sie mit einem Schlag beseitigt: »Kalimo!« Der Mann begann zu lachen und rang nach Luft, gerettet durch seinen Namen. Das Gesicht stammte aus einem anderen Leben, es war Brays Koch aus den Tagen im Hause des D. C. Die Begrüßung dauerte einige Minuten, dann war Kalimo ganz Herr der Lage. Auf englisch sagte er: »Ich bin hier, heute, gestern, dritter Tag. Nein, der Boy sagen, der
mukwayi
fahren Dienstag, kommen zurück Freitag. Ich bin bereit.« Brays Augen folgten den Schürzenbändern Kalimos, die er – wie er es immer schon vorgezogen hatte – unter den Armen doppelt gebunden hatte, in das Labyrinth einer vergangenen Alltäglichkeit: »Wie hast du mich gefunden?«
    »Festus, er mich schicken. Er mich holen und sagen, Colonel, er zurückkommen, ein Monat, zwei Monat, dann gehen nach Gala. Ich mich verabschieden von Frau, ich mich verabschieden von Söhnen. Sie sagen, wohin du gehen? Nein, ich gehen nach Gala. Colonel, er zurück. Nein, ich gehen. Ich muß gehen.«
    Sie fingen an, sich auf gala zu unterhalten, was nicht Kalimos Muttersprache war, da er aus dem Süden kam, wo er vor vielen Jahren zum ersten Mal für Bray gearbeitet hatte, aber wie Bray hatte er es gelernt, als er mit den Brays nach Gala gezogen war. Sie tauschten Familienneuigkeiten aus; Bray holte das Bild von Venetias Baby. Die freudige Aufregung des Wiedersehens hing über seinem einsamen Lunch, während Kalimo, der sich jeglichen Gesprächs enthielt, das Essen hereinbrachte.
    Aber später am Nachmittag, als er ein oder zwei Stunden über der Aufzeichnung seiner Beobachtungen in den Dörfern am See gesessen hatte, kam ihm wieder das Problem Mahlope in den Sinn: Was sollte mit Mahlope geschehen? Kalimo hatte die Führung des Haushalts übernommen, so als hätte er ein Recht darauf. Bray verspürte wieder die alte Angst, jemanden zu verletzen, dessen Geschick die Umstände in seine Hände gelegt hatten. Die Frage war nicht die, ob er Kalimo wegschicken sollte. Er gehörte zu Kalimo; Kalimo war über tausend Meilen weit aus dem Ruhestandin seiner Siedlung hergekommen, um sein Recht geltend zu machen. Der Gedanke entsetzte ihn: um für ihn zu kochen und sauberzumachen, so als hätte er einen unanfechtbaren Anspruch auf Kalimos Leben.
    Er ging in die Küche, wo Kalimo, sobald er gehört hatte, daß er sich wieder rührte, Tee zubereitete. Bray hatte Mahlope durch das Wohnzimmerfenster gesehen – buchstäblich an die frische Luft gesetzt; mit einer selbstgeschärften Sense aus einem Stück Eisenzaun holte er gegen das Gras aus. »Kalimo, hast du mit Mahlope über den Posten geredet?« Er sprach auf gala. »
Mukwayi?
« »Ich habe Mahlope aufgenommen, damit er sich um das Haus kümmert, verstehst du.«
    Kalimo brummte einmal tief, womit die Angelegenheit erledigt war. Er war gealtert; er gab jetzt diese Laute von sich, wie ein alter Mann, der in

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