Der Ehrengast
»Sollten Sie einmal nach Gala hineinkommen – ich meine, wenn Sie ohnehin hinfahren –, vielleicht reden Sie dann mit den Veranstaltern der Kurse über Viehzucht, die wir anlaufen lassen wollen. Wir möchten die ehemaligen Fachschulen wieder reaktivieren, auf einer neuen Basis – bescheiden, als Gewerbeschulen, natürlich mit praxisorientierten Kursen über landwirtschaftliche Methoden, gemeinsam mit irgendwas anderem, das von Nutzen sein könnte. Ich sehe nicht ein, warum das den landwirtschaftlichen Fachschulen vorbehalten bleiben sollte – selbst wenn wir eine hätten. Vielleicht paßt Ihnen das dann auch in Ihr Forschungskonzept – die Burschen könnten Gräser und anderes Zeug aus den Gegenden sammeln, in denen sie ihre Rinder halten.«
»Oh, Gala. Ich glaub, ich war nicht öfter als einmal da, seit Caroline fort ist – Caroline ist in England.«
»Nun, wenn sie zurückkommt, werden Sie sicher wieder öfter in die Stadt fahren, und dann …«
»Muß mehr als zwei Jahre her sein. Die Zeit fliegt. Hat sich vermutlich nicht viel verändert. Erstaunlich; weiß nicht, wo die Tage hinkommen. Wann seid denn ihr Leute zurückgekommen?«
»Olivia kommt erst. Ich bin jetzt – ja, ich glaube, es sind mehr als drei Monate. Sie sollte eigentlich gleich nach der Geburt von Venetias Kind kommen …«
Boxers Blick glitt über die rosa Mauern, über seine säuberlich geordneten Zeckenflaschen. »Ihr Badezimmer«, sagte er. Er meinte die Frau mit den schlechten Zähnen. »Wozu in aller Welt braucht man zwei Badezimmer.« Ein angenehmes Gefühl gegenseitigen Verstehens umschloß sie – seine Grundlage, wie Bray fühlte, idiotischerweise ein Mißverständnis. Olivia würde kommen; wie schnell doch drei Monate vergangen waren. Es wäre absurd gewesen, hätte er sich die Mühe gemacht, die Dinge Boxer gegenüber richtigzustellen. Sie redeten weiter mit der ruhigen Gelöstheit von Männern, die die Bindungen der Familie hinter sich gelassen hatten.
Als Bray wieder bei seinem Wagen war, war sein Mitfahrerweg. Boxer rief einen Diener; die Mahlzeit, die zu dem Mann hinuntergebracht worden war, war aufgegessen. Sie hielten Ausschau nach ihm, aber er war nirgends zu finden. Bray hatte ein wenig das Gefühl, einen Korb bekommen zu haben, so als wäre von ihm irgendeine Reaktion erwartet worden und als hätte er etwas nicht begriffen. »Er war kein besonders entgegenkommender Fahrgast«, verteidigte er sich mit einer stoischen Ironie. »Wahrscheinlich gerade aus dem Kittchen«, sagte Boxer. »Rasierter Kopf, nicht wahr, hab ich gesehen.«
Bray fuhr über die Paßhöhe des Bashi-Berges, holperte auf der abgenützten Federung seines Wagens durch plötzliche Bodensenken in Flußbetten und schütterte über Erhebungen, die mit losen Steinen bedeckt waren. Die erste Nacht verbrachte er in der staatlichen Rasthütte in der Nähe des Dorfes Tanyele. Unter den Mopanebäumen blühten unmittelbar über dem sandigen Boden und ohne sichtbare Stämme oder Blätter rosa- und mauvefarbige Blumen, so als hätten Kinder sie hineingesteckt, die Hausfrau gespielt hatten. Zuerst dachte er, es wären Iris (blühende Iris rund um den kleinen Lilienteich in Wiltshire), dann aber konnte er sie wieder als die wilden Lilien bestimmen, die Venetia und Pat immer gepflückt hatten, als sie ihn – als kleine Mädchen – zu ihrer Freude auf einer Dienstfahrt begleiten durften. Er wärmte sich eine Konserve mit Curry und Reis auf; früher einmal hatte das Rasthaus einen Koch gehabt, der die hohe Haube eines Küchenchefs getragen und auf einem Primus-Herd einen Erdnußeintopf zubereitet hatte.
Am nächsten Tag weckte ihn das sanfte Klingeln von Ziegenglocken, und er machte sich auf, um dem örtlichen Lehrer einen Besuch abzustatten. Jedermann schien sich an ihn zu erinnern; mit Häuptling Chitoni und dessen Onkel, dem ehemaligen Häuptling, der noch zu Brays Zeiten als D. C. Häuptling gewesen war, trank er Bier und bekam ein weißes Huhn und ein paar süße Kartoffeln als Gastgeschenk. In gehöriger Entfernung von Tanyele band er die Beine des Huhnes los und ließ es im Busch frei; irgend jemand tauchte zwischen den Bäumen auf, und erhoffte, daß es niemand aus Tanyele war. Dann sah er aber, daß es sein Fahrgast war, der noch immer seinen Pappkoffer trug. Bray lächelte; der andere schien sich durch ihre Bekanntschaft nicht verpflichtet zu fühlen, kletterte aber wieder in den Wagen, so als wären sie miteinander verabredet gewesen. Als er das nächste
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